Expertentipp
Wer ist besser dran: der Demütige oder Hochmütige?
"Kürzlich wurde ich gefragt, was ich davon halte, wenn Fussballer nach einem Sieg im Interview betonen, man müsse auch weiterhin demütig sein", teilt die WOCHE-Expertin und psychologische Beraterin Anna Katharina Lanz mit. Und sie erklärt, was sie von Demut und Hochmut hält.
Es gibt kein Oben oder Unten
Demut wird in unserem Sprachgebrauch nur noch selten verwendet. Der Begriff kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet "dienstwillig". Demut wird als Tugend verstanden, als ein sittliches Verhalten. In der Religiosität wird Demut als Akzeptanz der Größe Gottes verstanden. Der Demütige lebt in Achtung vor dem für ihn unerreichbaren Höherem. Das Gegenteil von Demut ist Hochmut. Der Hochmütige versucht sich über alles zu stellen und lebt so, als hätte er alles in der Hand und könne alles richten. "Wer zu Grunde gehen soll, der wird zuvor stolz; und Hochmut kommt vor dem Fall", heißt es in den Sprüchen Salomons. Und das zeigt, dass sowohl Demut als auch Hochmut eine zentrale Rolle in der Religion spielen – und diese spielte wiederum in vergangenen Zeiten eine soziale Rolle. Obwohl "Hochmut" auch einst ein positiv belegtes Wort war: Im Mittelhochdeutschen als "hohen Mutes" verstanden, meinte Hochmut die Hochgestimmtheit, eine gewisse Gestimmtheit einer vornehmen Gesinnung.
Allerdings gibt es auch außerhalb der Religiosität echt Demut. "Ich meine, dass echte Demut von außen oft gar nicht zu erkennen ist, es sei denn, dass man diese Person sehr gut kennt. Echte Demut ist eine Haltung. Sie bedeutet, dass man aus freien Stücken, ohne erkennbaren Vorteil oder Gewinn, Menschen, Tiere oder Natur hoch schätzt, niemandem einen Schaden zufügt und im hohem Maße verantwortungsvoll miteinander umgeht", sagt Lanz. Demut schaut auf niemanden hinab. Demut würdigt, es gibt kein Oben oder Unten.
"Nun frage ich Sie, wer wohl besser dran ist: der Demütige oder der Hochmütige? Ich meine, der Hochmütige braucht den Applaus und ist ohne ihn nichts, der Demütige ist auch ohne Applaus alles.
Wer allerdings seine (vorgebliche) Demut zur Schau stellt ist nicht demütig, sondern stolz", meint die Expertin.
Kontakt:
Anna Katharina Lanz hilft als psychologische Beraterin in schwierigen Situationen oder wenn große Entscheidungen getroffen werden müssen. Sie arbeitet nach den Methoden der integrativen Gestalttherapie und der dialogisch-systemischen Familientherapie. Als WOCHE-Expertin steht sie unseren Lesern zur Seite.
Kontakt: anna.lanz@inode.at, 0660/222 6330;
Praxis: Hörgas 238, 8103 Gratwein-Straßengel
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