Wohnbau
Preisgekröntes Zuhause und die Wohnungskrise in Gratwein-Straßengel
- hochgeladen von Christoph Forstinger
Es ist offiziell: Die Siedlung "Am Grünanger 14" in Gratwein-Straßengel hat den Steirischen Holzbaupreis gewonnen. Ich könnte nicht stolzer sein, in dieser Siedlung zu wohnen. Und doch blicke ich mit einem weinenden Auge auf unsere Gemeinde.
Ich lebe mittlerweile über zwei Jahre hier. Ich erinnere mich noch genau an meine ersten Worte bei der Besichtigung: "Die Wohnung müssen wir sofort nehmen, allein schon wegen der Bausubstanz!"
Warum ich das gesagt habe? Weil ich davor schon in zwei Erstbezugswohnungen in Graz gewohnt habe. Auf gut Deutsch gesagt, waren das im Vergleich zu hier absolute "Pappendeckel"-Wohnungen. (Wieso man in seiner Jugend überhaupt nach Graz zieht, darauf komme ich später noch.)
Warum der Holzbaupreis für den Grünanger in Gratwein-Straßengel verdient ist
Dieser Preis ist absolut gerechtfertigt. Das fängt bei der bereits angesprochenen, unglaublich hohen Bausubstanz an – seien es die Wände, der Boden oder die Fenster. Aber es ist mehr als nur die nachhaltige Holzbauweise.
Diese Siedlung zeichnet sich für mich durch ihr lebendiges "Innenleben" aus. Wir haben eine große, innenliegende Grünfläche mit Obstbäumen, Hochbeeten und einen kostenlos nutzbaren Gemeinschaftsraum. Das schafft ein echtes Gemeinschaftsgefühl mit allen Nachbarinnen und Nachbarn.
Und nicht zu vergessen: Durch die neue Verbindungsstraße wurde auch eine massive Verkehrserleichterung für alle umliegenden Anrainer geschaffen. Wen kann man es also verübeln, wenn er stolz ist, in so einem erstklassigen gemeinnützigen Wohnprojekt zu leben?
Mein "weinendes Auge": Das Wohn-Problem in Gratwein-Straßengel
Aber nicht nur diese Siedlung macht das Wohnen hier so besonders. Wir leben in einer unglaublich schönen und fortschrittlichen Gemeinde, die wie keine andere in Graz-Umgebung eine der besten Bildungsinfrastrukturen und ein überdurchschnittlich hohes Freizeitangebot hat – man denke nur an den Park in Judendorf, der in Größe und Schönheit seinesgleichen sucht.
Warum also sollte man dann eigentlich zum Wegzug gezwungen sein?
Dafür gibt es einen ganz einfachen Grund: Den praktisch nicht vorhandenen freien Mietmarkt in Gratwein-Straßengel.
Jeder, der in unserer Gemeinde schon einmal nach einer Wohnung gesucht hat, kennt dieses Problem. Entweder es gibt keine Wohnungen, oder sie sind komplett veraltet und völlig überteuert.
Wie konnte es so weit kommen?
Wie kann es sein, dass es in einer 13.000-Einwohner-Gemeinde einen quasi nicht existenten Mietmarkt mit absurd hohen Preisen gibt?
Für mich persönlich ist das ganz einfach erklärt: durch die jahrelangen 2/3-Blockaden zu allem, was den Wohnbau in unserer Gemeinde betrifft. Die Opposition hat es sich mittlerweile über eine sehr lange Zeit zur Aufgabe gemacht, alles, was mit Wohnbau zu tun hat, nicht nur im Gemeinderat zu verhindern, sondern auch dauerhaft mediale Stimmung gegen jeden Stein zu verbreiten, der gesetzt werden soll.
Das Fallbeispiel "Huberwiese"
Man siehe sich nur das Beispiel Huberwiese an. Die meisten, die das hier lesen, können sich sicher noch an die zahlreichen "Wir haben die Hochhäuser auf der Huberwiese verhindert"-Plakate im Wahlkampf erinnern.
Das ist ein grandioses Beispiel für meine genannten Punkte. Hierzu muss man wissen, dass in der Steiermark Häuser erst ab einer Bauhöhe von 22 Metern (also 7 Wohnstockwerke) als Hochhaus gelten.
Waren hier also wirklich 7-stöckige Gebäude geplant oder war das irreführender Populismus im Wahlkampf?
Dazu gibt es auf der Gemeindewebsite von Gratwein-Straßengel ein aufschlussreiches Protokoll der Bürger:innen-Beteiligungsinitiative von Oktober 2022 (also zwei Jahre vor der letzten Wahl). Worum ging es also wirklich? Es ging um die Flächenverschiebung der gewidmeten Fläche vom Rand in die Mitte – mit einer maximalen Bauhöhe von 3 Geschossen!
Woher kommt dann die Behauptung, es würden 7 Stockwerke gebaut, und man habe diese verhindert? Diese Frage stelle ich mir auch.
Verhindert wurde durch die 2/3-Blockade (wie man am Protokoll der Gemeinde sehen kann) ausschließlich die Verschiebung der Fläche vom Rand in die Mitte. Das bringt nun mit sich, dass:
keine Begrünung um den Wohnbau erfolgen kann,
keine verkehrserleichternde Lösung für die Anrainer (z.B. mit einem Kreisverkehr) umgesetzt werden kann,
und keine innenliegenden Gemeinschaftsräume gebaut werden können.
Stattdessen kann nun ausschließlich ein Wohnkomplex angrenzend an die Hauptstraße gebaut werden. Das ist weder eine Verbesserung für die Anrainer noch für das örtliche Bild. Meiner Meinung nach hätte dieser Wohnbau das Potenzial gehabt, ein gleich gutes Projekt wie der Grünanger zu werden – wenn nicht sogar besser.
Wer leidet jetzt darunter?
Am meisten leiden meiner Meinung nach junge Erwachsene, die ihre erste eigene Wohnung suchen. Wenn kein Mietmarkt vorhanden ist und die einzige Wohnung, die man findet, komplett unattraktiv und überteuert ist, kann man es keinem jungen Menschen verübeln, wenn er sich eine modernere und oft günstigere Wohnung in Graz sucht. So wie ich es damals auch getan habe.
Dies zeigt sich auch im starken Jugendwegzug und der stark alternden Bevölkerung von Gratwein-Straßengel.
Aber auch die Familien, die vom Wegzug ihrer Kinder betroffen sind, leiden darunter. Denn sind wir uns ehrlich: Jeder will doch, dass die eigenen Kinder und Enkelkinder in der eigenen Gemeinde wohnen, oder? Hier hilft auch das attraktivste Gemeindeangebot nichts, wenn es nichts Leistbares und Schönes zu Wohnen gibt.
Und natürlich leidet auch jeder andere, der am Mietmarkt wohnt und immer höhere Mieten zahlen muss, wenn das Angebot künstlich verknappt wird. Wie überall anders bestimmt auch hier die Nachfrage den Preis.
Mein Fazit: Wir müssen gemeinschaftlich denken!
Wir müssen alle gemeinschaftlich denken. Wir müssen bedenken, dass unsere Gemeinschaft in Gratwein-Straßengel aus knapp 13.000 Personen besteht und nicht nur aus 20 oder 50 Anrainern.
Und genau so sollte auch jede gewählte Partei im Gemeinderat denken und zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger handeln – und nicht ständig Anrainer als Vorwand für eigene politische Interessen verwenden, um Entscheidungen gegen das Wohl der restlichen knapp 13.000 Einwohner zu begründen.
Ja, es freut sich niemals ein Anrainer, wenn in seiner Umgebung gebaut wird. Das ist überall so. Aber genau deswegen benötigt es mehr Bürgerbeteiligungsinitiativen wie am Grünanger – oder wie es bei der Huberwiese gewesen wäre – um auch große Verbesserungen für die Anrainer und die gesamte Gemeinschaft zu realisieren.
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