Familienflüsterer
Raufen und Rangeln für ein soziales Miteinander

Viele Eltern sind darüber besorgt, wenn Kinder sich schubsen, rangeln und raufen. Familienpsychologe Philip Streit gibt Entwarnung: Man muss hier keine Angst haben.  | Foto: Unsplash/Allen Taylor
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Raufen, Rangeln und Balgen haben auch zum Zweck, ein soziales Miteinander zu erlernen. Psychologe und "Familienflüsterer" Philip Streit über Möglichkeiten und Grenzen des Kräftemessens.

GRAZ. Viele Eltern sind darüber besorgt, wenn Kinder sich schubsen, rangeln und raufen, wie wir sagen würden, und unterbinden dies. Sie haben Sorge, dass es die Vorstufe zu einem gewaltsam ausgetragenen Konflikt sein könnte. Zur Beruhigung: Der Begriff "raufen" kommt vom Althochdeutschen "roufen", bedeutungsverwandt mit "rangeln" und "balgen" und es gehört zur Entwicklung dazu. Sowohl Burschen als auch Mädchen möchten sich gerne spüren, ihre Kräfte messen, sich als selbstwirksam erleben und die eigene Stärke im Vergleich zu anderen erleben und einschätzen lernen. Sie möchten Grenzen erkennen und Erfolge und Misserfolge erfahren. So entdecken sie sich selbst durch den Körperkontakt als soziale Wesen.

Warum Kinder Raufen

Verantwortlich dafür ist zum einen das Hormon Testosteron. Es löst diese Aktivitäten aus und beflügelt sie - bei Burschen manchmal etwas heftiger. Über das Großhirn kommt es zur sozialen Einordnung. Dieses entwickelt nämlich bei wertschätzendem Umgang der Eltern und Lehrer mit den Kindern positive Selbststeuerung. Es sorgt dafür, dass beim Balgen auch Selbstkontrolle erlebt wird und soziale Kompetenz sowie Respekt vor sich selbst und anderen entwickelt werden. So können sich über Körperkontakt viele Erfahrungen entwickeln und ein Gefühl des Miteinander und des liebevollen Eingebettetseins entstehen. Darin liegt der Wert des Raufens.

Es braucht Rahmenbedingungen und Regeln für das Raufen und für diese sind die Erwachsenen zuständig. | Foto: Unsplash/Kabita Darlami
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Rahmenbedingungen fürs Rangeln

Aber es braucht auch Rahmenbedingungen und Regeln für das Raufen und für diese sind die Erwachsenen zuständig. Denn die angelegte Tendenz sich zu messen, kann auch umschlagen in Aggression, welche ebenfalls eine natürliche Disposition des Menschen ist. Dies passiert vor allem dann, wenn Kinder in Dysbalance sind, was ihre Möglichkeiten zu Anspannung und Entspannung betrifft und sie sich überfordert fühlen. Dann können Kinder in Wut zuschlagen, anderen wehtun wollen, auch verbal, um sich selbst in ihrer Würde wieder zu spüren.

Raufen will also gelernt werden. Dafür gibt es zahlreiche anleitende Spiele (zu finden sind einige auf der Website www.ikjf.at). Zunächst geht es dabei darum, Körperkontakt zu ermöglichen. Kinder berühren sich etwa am Ellbogen oder an den Fingerspitzen und tragen einen Bierdeckel zwischen einander her. Dann kann der nächste Schritt kommen und es kann mit Rangel-Spielen etwas wilder zugehen, etwa wenn man seinen Platz auf der Matte verteidigen soll. Das spielerische Rangeln entsteht von selbst, der gegenseitige Respekt vor anderen ist ebenfalls gegeben.

Tipps für Eltern und Verantwortliche

1. Erlaube das Raufen. Es gehört zur Entwicklung bei Buben und Mädchen dazu.

2. Leg die Grundregeln fest: Wir messen die Kräfte. Wir kämpfen miteinander, aber nicht gegeneinander. Kratzen, Beißen, Hauen, Spucken und einander Wehzutun sind Tabus.

3. Stopp heißt Stopp. Vereinbare ein Stopp-Signal, das immer beachtet wird.

4. Gehe dann Schritt für Schritt vor: Starte mit einfachen Körperkontaktübungen, etwa mit einer Decke zudecken und sich aufeinanderlegen. Dann kann wilderes Rangeln folgen.

5. Organisiere das Raufen umsichtig mit klaren Regen bei dir Zuhause oder an anderen Einrichtungen.

6. Macht als Eltern dabei mit.

7. Genieße die Energie und das Vertrauen, das dabei entsteht.

8. Sprich über diese Erfahrungen, aber nicht belehrend.

9. Sag klar Nein zu Regelverletzungen und einem Verhalten, das anderen wehtun will.

10. Sei beim Balgen und Raufen präsent. Deine wachsame Sorge ist der Samen der Selbstkontrolle, die beim Raufen entstehen kann.

11. Sei auch achtsam, wie und wo Berührungen erfolgen.

12. Genieße das Raufen schließlich als Möglichkeit der Begegnung, um Kooperation und Würde zu erfahren und als wichtigen Beitrag zum gelingenden sozialen Miteinander.

Der Experte für Familienfragen: Philip Streit. | Foto: Konstantinov
  • Der Experte für Familienfragen: Philip Streit.
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Der Experte

Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, Lebens- und Sozialberater. Seit 1994 leitet er das Institut für Kind, Jugend und Familie in Graz, das unter 0316 77 43 44 für dich da ist. Hast du Fragen, wie du dein Leben gestalten sollst, brauchst du Rat? Deine Fragen an Dr. Philip Streit gerne jederzeit an: redaktion.graz@regionalmedien.at


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