Lehrlingsausbildung
Lehrling sein in Corona-Zeiten

- Auch für Lehrlinge wie diese Mechatronikerin ergeben sich zurzeit viele offene Fragen.
- Foto: ´Siemens
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Auch für Lehrlinge oder Lehrstellensuchende ist dies eine Ausnahme-Situation, bei der es viele offene Fragen gibt. Unternehmensberater und Lehrlingsexperte Karl Zaunschirm klärt auf.
Die Corona Krise hat unsere Wirtschaft voll im Griff, kaum ein Unternehmen ist nicht davon betroffen. Aber was macht man eigentlich, wenn man gerade auf der Suche nach einer Lehrstelle war? Was können Jugendliche tun, deren Arbeitsstart nun auf Eis gelegt wurde oder die gerade erst mit einer Ausbildung angefangen haben? Wir haben bei Karl Zaunschirm nachgefragt, Unternehmensberater und Coach mit Schwerpunkt Lehrlingsausbildung.

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WOCHE: Was haben Lehrlinge während der Corona-Krise zu beachten?
KARL ZAUNSCHIRM: "Neben dem Einhalten der öffentlichen und innerbetrieblichen Schutzmaßnahmen sind wohl Gespräche mit dem Lehrberechtigten unverzichtbar. Dabei wird zu klären sein, ob der Lehrbetrieb von einer Betriebsschließung betroffen ist, oder nicht. Wenn der Lehrbetrieb weiterhin geöffnet ist, dann kann die Ausbildung fortgesetzt werden, Falls der Betrieb geschlossen ist, bleibt abzuwarten, wie lange die Schließungen aufrecht bleiben. Das Lehrverhältnis bleibt auch bei Lehrbetriebsschließungen aufrecht.
Sollte der Lehrling z.B. nicht von seinem Urlaubsort rückreisen können, dann ist der Lehrbetrieb frühestmöglich darüber zu informieren. Was den Anspruch auf Lehrlingsentschädigung betrifft, empfehle ich bei offenen Fragen einen Anruf in der Jugendabteilung der Arbeiterkammer Steiermark oder bei der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer Steiermark, die als Behörde für die Vollziehung des Berufsausbildungsgesetzes zuständig ist."
Was machen Lehrstellensuchende in dieser Zeit?
"Während der Krisenzeit ist es sehr höflich, wenn man Lehrbetriebe nicht noch zusätzlich mit Bewerbungen und Telefonaten in Stress bringt. Bis zum Ende der Pflichtschule bleibt noch genügend Zeit, um Bewerbungen nachzuholen.
Was sicher sehr sinnvoll ist, wäre die Klärung der beruflichen Interessen im Kreis der Familie. Um ein guter Facharbeiter werden zu können, muss großes Interesse vorliegen und dann ergibt sich eine wechselseitige Win-Win-Situation. Im Internet finden sich wertvolle Erfahrungsberichte von Lehrlingen und Lehrbetrieben, welche diese Interessenklärung wertvoll unterstützen können. Natürlich empfehle ich unser Top-Lehrbetriebe in der Region für Bewerbungen, denn dort wird die Lehre sicher nicht zur Leere. Glücklicherweise suchen viele Lehrbetriebe noch Bewerber. Interessenten können die offenen Lehrstellen gerne auch bei mir direkt erfragen oder sind beim AMS bestens aufgehoben."
Was können Lehrlinge in dieser Ausnahme-Situation tun?
"Zeitvertreib, Fortbildung, Berufsschule, etc. Ich bin mir sicher, dass ich Lehrlingen keine Empfehlungen für deren Freizeit geben muss. Die Lehrlinge, die ich kenne, finden sicher sinnvolle Aufgaben für ihre zusätzliche Freizeit, sofern es eine solche für sie gibt.
Natürlich wäre es sinnvoll, wenn man zum Beispiel die Berufsschulunterlagen und Fachbücher mit seiner Aufmerksamkeit ehrt oder wenn man Fachzeitschriften liest, Fachbeiträge im Internet betrachtet und berufliches Verständnis vertieft. Für mich ist das allerwichtigste aber, nicht in Panik oder Angst zu verfallen und sich auch wertvoll in der Familie einzubringen."
Freiwilligen-Arbeit (Zivildienst, etc.) vs. Lehrverhältnis? Wird man in solchen Fällen freigestellt oder entscheidet das das Unternehmen selbst?
"Lehrlinge sind von Zivildienstleistungen sehr selten betroffen, weil die Lehre in den allermeisten Fällen vor einer Zivildienstleistung endet. Freiwilligen-Arbeit ist mit dem Lehrberechtigten abzustimmen und vom Lehrberechtigten zu genehmigen. Die Lehrbetriebe sind dabei, meiner langjährigen Erfahrung nach, sehr großzügig und sehr sozial eingestellt.
Bitte keinesfalls Freiwilligen-Arbeit ohne Zustimmung des Lehrberechtigten erledigen. Dies könnte das Vertrauensverhältnis massiv stören oder sogar zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen."
Wo kann man sich als Lehrling/Lehrstellensuchender informieren?
"Die Top-Adressen dafür sind die Lehrbetriebe, zum Beispiel die Berufsinfomessen in Weiz und Gleisdorf, das Arbeitsmarktservice und die Jugendabteilung der Arbeiterkammer bzw. die Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer.
Bei persönlichen Krisenfällen gibt es auch die Möglichkeit kostenlos einen Lehrlingscoach zu erhalten. Bei den eingangs genannten Institutionen und im Internet (www.lehre-statt-leere.at) finden sich Detailinformationen dazu."
Was können Unternehmen tun, um ihre Mitarbeiter trotz momentaner Kündigung nicht an ein anderes Unternehmen zu verlieren?
"Es gibt sehr gute Kurzarbeitszeitmodelle und die Möglichkeit von Wiedereinstellungszusagen oder Wiedereinstellungsvereinbarungen. Bei der Zusage verpflichtet sich der Dienstgeber zur Wiedereinstellung des Mitarbeiters. Bei der Vereinbarung wird gemeinsam festgelegt, dass das Dienstverhältnis zu einem bestimmten Datum fortgesetzt wird. Die Wirtschaftskammer, das AMS, die Arbeiterkammer und der ÖGB sind bei Fragen dazu die richtigen Ansprechpartner.
Ganz grundsätzlich haben alle Unternehmer, nach der Krise sicher großes Interesse Ihre Mitarbeiter wieder zu beschäftigten. Ein gutes Betriebsklima ist wohl die beste Absicherung dafür, dass kein Mitarbeiter in der Zwischenzeit zu den Mitbewerbern abwandert."
Interview: Nadine de Carli


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