Erleichtungen & Pflichten
So soll die Bauordnung künftig in Wien aussehen
Bei einer Fachenquete wurde die Änderung und Verbesserung der Wiener Bauordnung diskutiert. Als Ergebnis wurde am Donnerstag ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Damit sollen etwa Abrisse weiter erschwert werden, mehr Solaranlagen verpflichtend sein sowie Dekarbonisierung und Fassadenbegrünung erleichtert werden. Die BezirksZeitung bringt die Details.
WIEN. Im November vergangenen Jahres wurde eine zweitägige Fachenquete veranstaltet, bei der mehr als 120 Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen über eine Abänderung und Verbesserung der Wiener Bauordnung diskutierten. Jede Fraktion in Wien hatte die Möglichkeit, jeweils drei Fachexperten zu nominieren. Die BezirksZeitung berichtete:
In den vergangenen Monaten schaute sich die MA 64 (u. a. Baurecht) die Vorschläge an und hat somit einen umfassenden Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der in den kommenden Wochen einer Begutachtung unterzogen werden soll. Im Herbst soll dann eine Regierungsvorlage dem weiteren Gesetzgebungsverfahren zugeführt werden, anschließend soll die Bauordnungsnovelle 2023 im Wiener Landtag Ende des Jahres beschlossen werden.
Die Pläne aus der Bauordnungsnovelle wurden am Donnerstag, 22. Juni, vorgestellt. Damit sollen Abrisse weiter erschwert werden, Dekarbonisierung und Fassadenbegrünung erleichtert werden und weitere Neubauten verpflichtende Solaranlagen haben. Die zuständige Stadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) sagte, es seien "völlig neue Maßstäbe" für das nachhaltige und leistbare Wohnen der Zukunft und die Novelle trägt "die politische Handschrift der Verantwortung für kommende Generationen".
Das sei die "umfassenste Erweiterung eines Landesgesetzes in Sachen Klimaschutz und klimawandelnapassung, die es gegenwärtig in Österreich gibt", so Robert Lechner, Leiter des Österreichischen Ökologie-Instituts. Die Bauordnung sei in Wien ein "mächtiges Gesetzes", fügte er hinzu. Die BezirksZeitung hat alle Details.
Dekarbonisierung und Photovoltaik
Beim Thema Klimaschutz und Klimawandelanpassung gibt es vier wichtige Stichwörter: Dekarbonisierung, Photovoltaik, Entsiegelung und Fassaden- sowie Dachbegrünungen.
Die Dekarbonisierungsmaßnahmen sollen erleichtert werden, indem etwa Erdwärmesonden baurechtlich gänzlich bewilligungsfrei sein sollten. Mit der Dekarbonisierung meint man den Umstieg von Kohle, Erdgas und Öl auf kohlenstofffreie und erneuerbare Energiequellen. Falls in einem Bestandsgebäude zwecks Dekarbonisierung Flächenwärmeabgabesysteme eingebaut werden, kann die Raumhöhe von 2,5 auf 2,4 Meter reduziert werden. Im Interesse der Dekarbonisierung kann auch der Gebäudeumriss im unbedingt erforderlichen Ausmaß überschritten werden, auch Ausnahmen vom Bebauungsplan sollen im Interesse des Klimaschutzes genehmigt werden können.
Bis 2030 will die Stadt Wien die Photovoltaik-Leistung des Stadtgebiets von 50 Megawatt Peak (MWp) im Jahr 2021 auf 800 MWp steigern. Das will man mit der Ausweitung der Solarverpflichtung erreichen, weshalb Neubauten mit Solaranlagen jetzt auch für die Bauklasse I sowie für Kleingarten(wohn)häuser gelten sollen.
Aufbauend auf einer Studie der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien sollen bald zwei Drittel der gärtnerisch auszugestaltenden Flächen gänzlich unversiegelt bleiben und eine bodengebundene Begrünung und Bepflanzung aufweisen.
Dazu will man die Fassaden- und Dachbegrünung erleichtern. Bei Bestandsgebäuden sollen entsprechende Rankhilfen ausnahmsweise bis zu 20 cm über Fluchtlinien ragen dürfen, auch bei Dachbegrünungen dürfen die Gebäudehöhe um bis zu 15 cm überschritten werden. Die Rankgerüste sollen im Bereich der ersten drei Geschosse außerhalb von Schutzzonen gänzlich bewilligungsfrei sein, darüber hinaus ist es anzeigepflichtig. Das bringt Zeit- und Kostenersparnis, heißt es.
Und als letzter Punkt dürfte es eine Baumpflanzverpflichtung für Parkplätze ab dem fünften Stellplatz geben. Heißt: Die Anlage einer Parkplatzfläche mit 50 Stellplätzen muss zehn Bäume zusätzlich pflanzen, was zu einer erheblichen Verbesserung des Mikroklimas führe.
Altbauerhalt wird strenger reguliert
Seit 2018 ist der Abbruch von vor 1945 errichteten Gebäuden nur noch unter strengen Voraussetzungen möglich. Es muss geprüft werden, ob ein öffentliches Interesse am Erhalt des Gebäudes besteht. Zugelassen ist der Abriss aus verfassungsrechtlichen Gründen, wenn eine Erhaltung aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
Wie sieht das in der Praxis aus? Beispielsweise hat sich der Eigentümer eines Gründerzeithauses jahrelang nicht um dessen Erhaltung gekümmert und es verfallen lassen. Die Wohnungen der Kategorie D waren in den vergangenen Jahren unvermietet. Der Eigentümer entscheidet sich für einen Verkauf an einen Immobilienentwickler, der das Gebäude abreißen und einen Neubau errichten will. Von der MA 19 gibt es jedoch keine Bestätigung, weshalb er sich auf die wirtschaftliche Abbruchreife stützt.
Künftig soll es so sein: Wenn Eigentümer ein Gebäude etwa durch Aufkategorisierung besser nutzen könnten, ist das künftig bei der Berechnung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit ausdrücklich zu berücksichtigen. Die Kosten, die sich aus der Vernachlässigung der Instandhaltungspflicht ergeben, können bei der Berechnung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit nicht geltend gemacht werden.
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