Corona-Krise
"Ich fühle mich als Alleinerzieherin im Stich gelassen"

Alexandra O. (re.) im Gespräch mit RMA-Chefredakteurin Maria Jelenko. | Foto: Markus Spitzauer
  • Alexandra O. (re.) im Gespräch mit RMA-Chefredakteurin Maria Jelenko.
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Die Regionalmedien Austria (RMA) haben mit mehreren Alleinerzieherinnen gesprochen, für die die Corona-Krise zu einer Lebenskrise geworden ist, wie für Alexandra O. (49), die mit ihren beiden Söhnen (14,11) in Wien lebt. 

ÖSTERREICH. Für O., die Vollzeit beschäftigt ist, hat die Situation in der Corona-Krise zu einem Burnout geführt.

RMA: Laut einer Studie des Instituts Karmasin Research&Identity für die Regionalmedien Austria (RMA) sehen die Österreicher Familien, insbesondere Alleinerzieherinnen, als große Verliererinnen in der Corona-Krise. Wie sehen Sie das?

Alexandra O.: Die Ergebnisse dieser Studie würde ich aus meiner Erfahrung unterstreichen. Die Situation für berufstätige Eltern, insbesondere Alleinerzieherinnen, ist tatsächlich alles andere als ideal und politisch leider auch nicht wirklich am Tapet. Ich würde mir mehr konkrete Angebote von der Regierung speziell für die Schule wünschen: Wie kann Schule trotz Krise stattfinden? Die Schule sollte, wie auch in anderen europäischen Ländern, die Wege für die Schulkinder gefunden haben, offen bleiben. Es würde mich als Alleinerziehende in einem fordernden 40-Stunden-Job am meisten entlasten, dass meine Kinder einen geregelten Tagesablauf hätten und ihre Bildungsaufgaben in einer betreuten Institution erledigen könnten.

Was machen Sie beruflich?
Ich bin in der Gesundheitsbranche in einem Unternehmen der Stadt Wien beschäftigt, und arbeite dort Vollzeit im Bereich Bildungsmanagement, was inhaltlich sehr fordernd ist, es ist eine koordinierende Aufgabe mit viel Kommunikationsagenden. Meine Kinder sind also zu Hause und ich muss daneben Vollzeit arbeiten in einem Job, der Kommunikation und Konzentration erfordert. Das ist extrem belastend.

Wie schaut bei Ihnen ein Tagesablauf aus?
Kinder wecken, und dann an den Computer. Dazu kommt die herausfordernde Situation, dass wir nicht ausreichend Geräte zur Verfügung haben. Der kleinere Sohn muss seine Aufgaben teilweise am Handy erledigen. Das ist mitunter ein Problem. 

Ist das eine finanzielle Frage?
Jein, es wäre schon irgendwie möglich. Aber ich will meinem Kleinen nicht auch noch einen Computer kaufen müssen.

Wie sieht der Tag weiter aus?
Ich arbeite den ganzen Tag im Homeoffice, für mich ist das sehr belastend. Ich würde lieber ins Büro gehen, weil für mich eine fühlbare Trennung zwischen Arbeit und Privatem enorm wichtig ist. Speziell im Herbst war die Situation sehr schwierig. Ich musste mit Burnout in einen zehnwöchigen Krankenstand gehen und bin erst jetzt wieder zurück im Job. Das ist direkt auf die Situation als Alleinerziehende zurückzuführen. Mein Partner lebt im Ausland. Auch wenn sich der Vater der Kinder, der in Wien lebt, zu 50 Prozent um die Kinder kümmert, bin ich trotzdem extrem belastet. 

Wie hat sich das Burnout geäußert?
Das hat sich langsam gesteigert. Mit Schlafstörungen und Angstzuständen hat es angefangen. Ich war total gereizt. Auch wegen des Schlafmangels hatte ich das Gefühl, für die Kinder nicht so da sein zu können, wie ich das wollte. Ein kurzer Krankenstand hat nicht geholfen, daraus ist dann ein mehrwöchiger Krankenstand geworden. 

Wie geht es Ihnen jetzt?
Etwas besser als im Herbst/Winter. Ich werde zum Glück psychotherapeutisch weiter begleitet. Die Situation hat sich aber nicht geändert. Wir sitzen alle wieder zu Hause. Der einzige Vorteil ist, dass ich jetzt "Wiedereingliederungsteilzeit" in Anspruch nehmen kann. Das heißt, ich musste in der Arbeit nach dem Krankenstand nicht Vollzeit anfangen, sondern bin mit der Hälfte meiner Arbeitszeit eingestiegen. Das hilft. Für mich wäre es aber besser, nicht zu Hause arbeiten zu müssen. 

Wie war es, als die Kinder in die Schule gehen konnten, ging es Ihnen da besser?
Als die Kinder Schichtbetrieb hatten, war es prinzipiell besser. Das ist schon eine Entlastung.  Aber insgesamt hat es nicht dazu geführt, dass es mir in meiner Situation geholfen hätte. Ich fühle mich als Alleinerzieherin alleine gelassen. Nicht nur, dass mein Partner im Ausland lebt, meine Eltern leben in Salzburg, ich konnte von ihnen keine Unterstützung erfahren. Auch Freunde konnten nicht helfen, sie waren alle in einer ähnlichen Situation wie ich. Ich wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte. 

Kurzarbeit war in Ihrem Unternehmen kein Thema?
Nein, zum Glück nicht, wir hatten keine finanziellen Einbußen, mein Job wird fair bezahlt. Finanziell fühle ich mich nicht bedroht. Ich stehe auf eigenen finanziellen Beinen, das ist dank dieses Berufs möglich.

Was würden Sie sich von der Regierung wünschen?
Ich würde mir deutliche Signale wünschen, dass Bildung und Familie in dieser Krise stärker unterstützt werden. Wie kann Entlastung ausschauen, dass Schule, wie etwa in Frankreich und Luxemburg, nicht auf die Eltern abgewälzt wird. Die Zeit im Sommer hätte die Regierung besser nützen müssen, um die Situation in den Schulen und Homeschooling besser vorzubereiten. Es war ja zudem ein ständiges Hin und Her, die Planung war dadurch sehr schwierig. Ich zum Beispiel muss neben den Mails, die ich beruflich bearbeiten muss, neben inhaltlichen Aufgaben betreffend Schulalltag, auch das Management der Kinder, die vielen Mails rund ums Homeschooling, übernehmen. Das muss ja auch für andere Mütter extrem belastend sein. Ich bin mir sicher, dass viele andere Eltern auch extrem erschöpft sind.

Hilfe für Betroffene

  • Telefonseelsorge: Rufnummer 142. Für Menschen in einer schwierigen Lebenssituation oder Krise ist ein vertrauliches Gespräch rund um die Uhr möglich.
  • E-Mail und Chat-Beratung unter www.telefonseelsorge.at.
  • Psychotherapeutische Hotlines des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP): www.psychotherapie.at.
  • Helpline des Berufsverbands Österreichischer PsychologInnen (BÖP): Rufnummer 01/504 8000, Montag bis Freitag von 9 bis 20 Uhr 
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