BVT-Direktor Peter Gridling: "Österreich ist eine Insel der Seligen"

BVT-Chef Peter Gridling:"Österreich hat eine Kriminalitätsrate, die in den letzten Jahren leicht gesunken ist." | Foto: Arnold Burghardt
4Bilder
  • BVT-Chef Peter Gridling:"Österreich hat eine Kriminalitätsrate, die in den letzten Jahren leicht gesunken ist."
  • Foto: Arnold Burghardt
  • hochgeladen von Hermine Kramer

ÖSTERREICH. Online-Redakteurin Sabine Miesgang und RMA-Chefredakteur Wolfgang Unterhuber sprachen mit BVT-Chef Peter Gridling über Terrorgefahr sowie die rechts- und linksradikale Szene.

Können Sie bei Ihrem Job gut schlafen?
PETER GRIDLING: Ja. Aber es ist sicherlich ein Job, der einen 24 Stunden am Tag beschäftigt. Und das sieben Tage die Woche. Man sieht Nachrichten mit anderen Augen, weil man einen anderen Hintergrund hat.

Wie sicher ist Österreich?
Österreich ist noch immer eine Insel der Seligen. Wir haben eine Kriminalitätsrate, die in den letzten Jahren leicht gesunken ist.

Viele Menschen empfinden aber nicht so.
Weil diese Fakten natürlich nicht das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger widerspiegeln. Denn das hängt davon ab, in welcher Gegend man wohnt, ob diese Gegend von Kriminalität betroffen ist und ob es im eigenen Umfeld Personen gibt, die Opfer von Kriminalität geworden sind.

Wie groß ist die Gefahr eines islamistischen Terroranschlags in Österreich?
Diese Gefahr ist leider eine reale. Über 240 Personen aus Österreich haben ihren Weg in den islamistischen Dschihad gesucht oder wollten ihn suchen. Wir haben 40 Personen, die in diesem Konflikt getötet wurden. 33 Personen haben wir an der Ausreise gehindert und 72 Personen sind als Rückkehrer wieder nach Österreich gekommen. Diese Personen sind unterschiedlich zu bewerten.

Inwiefern?
Weil die Menschen dort unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben. Einerseits sind das Personen, die dort Kampferfahrung gesammelt haben und bei denen möglicherweise Gewaltanwendung zum Überleben gehört. Andere sind zurückgekehrt und sagen: „Das war mir jetzt eigentlich zu viel. Deswegen bin ich nicht hingegangen."

Wie gefährlich sind die Heimkehrer also?
Die Gefahr, die von Heimkehrern ausgeht, ist von den Sicherheitsbehörden wirklich schwierig zu bewerten. Denn wenn sie aus den Konfliktzonen zurückkehren, dann gibt es dort vorher auch Absprachen und eine Vorbereitung, welche Geschichte man sich für die Behörden zurechtlegt. Da ist es für die Sicherheitsbehörden schwierig zu beurteilen: Was ist vorgeschoben und was ist echte Motivation.

Werden diese Personen beobachtet?
Nach Möglichkeit ja, aber das ist eine schwierige rechtliche Position. Die Polizei kann nur aufgrund der Gesetze tätig werden und wenn wir die konkrete Gefahr, die von so einer Person ausgeht, nicht klar beschreiben können, dann dürfen wir sie nicht beobachten.

Diese Leute gehen aber zu einer terroristischen Organisation.
Wenn wir konkrete Hinweise haben, dass eine Person Österreich verlassen will, mit der Idee, sich dem IS anzuschließen, dann haben wir mittlerweile auch eine bessere Handhabe. Denn es gibt ein Urteil vom Obersten Gerichtshof (OGH), das sagt: Selbst die Reise dorthin mit dem Zweck, sich anzuschließen, ist eine Unterstützung einer terroristischen Gruppierung und fällt unter das Strafrecht. Diese Entscheidung aus dem OGH erleichtert uns die Arbeit deutlich.

"Die überwiegende Mehrheit der Muslime in Österreich hat mit diesen islamistischen Ideen nichts am Hut."

Kooperieren die islamischen Vereine in Österreich mit Ihnen?
Die überwiegende Mehrheit der Muslime in Österreich hat mit diesen islamistischen Ideen nichts am Hut. Aber wir verstehen auch, dass es für die Muslime auch eine schwierige Geschichte ist, mit den Behörden zu kooperieren, wenn es um andere Muslime geht. Generell gibt es jedenfalls eine ganz gute Gesprächsbasis und die muslimischen Organisationen verstehen, was der Sinn der Polizei-Arbeit ist und sind durchaus bereit, mit uns zusammenzuarbeiten. Ich glaube, dass die muslimischen Gemeinden sehr viel dazu beitragen können, dass diese Probleme frühzeitig erkannt werden und dass man frühzeitig versucht, Einfluss zu nehmen, damit die Radikalisierung nicht weiter gedeiht.

Könnten mit den Flüchtlingen auch Terroristen eingeschleust werden?
Uns ist bisher kein dokumentierter Fall dazu bekannt. Die Wahrscheinlichkeit, dass so großen Bewegungen dafür genutzt werden, ist durchaus gegeben. Die Sicherheitsbehörden gehen dieser Möglichkeit nach, weil innerhalb der Flüchtlinge ja durchaus auch Personen sind, die vor solchen Leuten geflohen sind, und die dann die Sicherheitsbehörden über Personen mit einer radikalen Gesinnung informieren.

In den 1970ern und 1980ern hat der Nahost-Terror Europa und sogar Österreich erreicht. Solange die Nahost-Konflikte also nicht gelöst sind, wird es diese Terrorismusgefahr geben, oder?
Wenn man das im Lichte der Entwicklungen sieht – ja. Denn es gibt diese terroristische Bedrohung. Diese terroristische Bedrohung ist momentan vielleicht nicht vergleichbar mit der globalen Bedrohung durch palästinensische Terrororganisationen seinerzeit, aber wir müssen genau mit ähnlichem rechnen. Das zeigen auch jüngste Vorfälle, wie zum Beispiel der verhinderte Anschlagsversuch in einem Schnellzug von Amsterdam nach Paris.

Werden noch viele Flüchtlinge zu uns kommen?
Ich glaube, dass in der nächsten Zeit weiterhin viele Personen auf der Suche nach Schutz den Weg nach Europa finden. Insgesamt hat der Konflikt in Syrien und im Irak Millionen von Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Die Türkei hat nach unseren Erkenntnissen über zwei Millionen Leute aus Syrien aufgenommen. Der kleine Libanon hat auch annähernd eine Million aufgenommen, in Jordanien sind es um die 700.000. Der Konflikt dauert nun schon vier Jahre. Und diese Personen sehen in einer Rückkehr keine Perspektive mehr. Die wollen jetzt irgendwo hin, wo sie Perspektiven sehen. Und da ist Europa natürlich das Ziel.

Wie viele Asylanträge wurden heuer bisher gestellt?
Von Jänner bis Ende Juli 37.046. Im Vorjahr waren es im selben Zeitraum 11.265.

Die meisten Flüchtlinge stammen derzeit aus Syrien und dem Irak. Gibt es auch Flüchtlinge aus anderen Regionen?
Selbstverständlich. Es gibt ja nicht nur den Konflikt in Syrien und im Irak. Nach wie vor kommen Flüchtlinge aus Afghanistan, aus Pakistan, aus Somalia, Eritrea.

"Die rechts- und die linksradikale Szene prallen im öfentlichen Raum immer öfter aufeinander."

Themenwechsel: Deutschland hat eine starke rechtsradikale Szene. Und Österreich?
Auch in Österreich gibt es eine rechtsradikale Szene, das ist unbestritten. Aber wir haben in der Vergangenheit durch die konsequente Anwendung des Verbotsgesetzes, des Strafgesetzbuches und der Verwaltungsvorschriften, sehr viel Druck auf diese Szene gemacht. Die Straftaten, die wir hier haben, sind im Vergleich mit Deutschland eher auf einem niedrigen Niveau. Wir stellen jedoch fest, dass es in den letzten zwei Jahren wieder zu einem Anstieg kommt.

Gibt es auch eine linksradikale Szene in Österreich?
Ja. Und Links und Rechts prallen immer öfter im öffentlichen Raum aufeinander. Das führt auch dazu, dass wir die Straftaten im Bereich der linken Szene anwachsen sehen. Das sind nicht nur kleinere Sachbeschädigungen bei Demonstrationen, sondern es geht um die Auseinandersetzung zwischen den beiden radikalen Lagern im öffentlichen Raum. Denken Sie nur an den Wiener Akademikerball oder an die Pegida-Demonstrationen.

Letzte Frage: Geht es bei Ihnen auch so zu wie bei James Bond oder Mission Impossible?
Bei uns steht normale akribische Recherchearbeit im Vordergrund. Die Filmwelt unterscheidet sich da wohl deutlich von der Realität.

Danke für das Gespräch.

2 Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN


Aktuelle Nachrichten aus Österreich auf MeinBezirk.at

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook: MeinBezirk.at/Österrreichweite Nachrichten

MeinBezirk auf Instagram: @meinbezirk.at


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.