Mutmaßliche Falschaussage
Jetzt hagelt es Rücktritts-Aufforderungen an Kurz
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen Kabinettschef Bernhard Bonelli eingeleitet. Es geht um mutmaßliche Falschaussagen vor dem Ibiza-U-Ausschuss. Die Opposition reagiert empört.
ÖSTERREICH. Kanzler Kurz hatte seinen Beschuldigtenstatus am Mittwochvormittag selbst öffentlich gemacht. Gegen ihn werde ermittelt, weil er vor dem Ibiza-U-Ausschuss nicht die Wahrheit gesagt haben soll. Konkret geht es um die Aussagen zur Bestellung von Thomas Schmid zum Vorstand der Staatsholding ÖBAG. Vor den Abgeordneten hatten Kurz und Bonelli gesagt, sie hätten damit kaum etwas zu tun gehabt. Es gilt die Unschuldsvermutung.
ÖBAG im Zentrum
Doch wie Auswertungen der Chats aus Schmids von der Staatsanwaltschaft sichergestellten Handy zeigen, sollen der Kanzler und sein Kabinettschef deutlich stärker als angenommen an der Suche nach Aufsichtsräten für die ÖBAG eingebunden gewesen sein. Der Druck wurde für Schmid mittlerweile zu groß. Er lässt seinen Vertrag als Chef der Staatsholding 2022 auslaufen.
Laut Kurz würde das Verfahren, in dem jederzeit Anklage erhoben werden könnte, wegen des "geringen Strafmaßes" (bis zu drei Jahre Haft) vor einem Einzelrichter landen, vor dem er, der Kanzler, seine Sicht der Dinge darlegen könnte. Im U-Ausschuss hätte man ihm stundenlang Suggestivfragen gestellt und versucht, das Wort im Mund umzudrehen. Er hätte sich bemüht, die Wahrheit zu sagen. Einen Rücktritt schloss Kurz auch im Fall einer Anklage aus.
"Rote Linie überschritten"
Die Oppositionsparteien deckten den Kanzler postwendend mit Kritik ein. Der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried ließ per Aussendung wissen: "Sebastian Kurz hat selbst immer gesagt, dass die Grenze das Strafrecht ist. Hier sind wir mitten im Strafrecht." Sollte es zu einer Anklage gegen den Bundeskanzler wegen Falschaussage kommen, dann sei eine rote Linie überschritten. "Ein angeklagter Bundeskanzler kann sein Amt nicht mehr ausüben und muss die Konsequenzen ziehen."
Seitens der FPÖ meldete sich Christian Hafenecker, Fraktionsführer der Blauen im U-Ausschuss: "Während die Herrschaften Kurz, Blümel und Co. von einem Strafverfahren ins nächste taumeln, versinkt unser Land im Corona-Chaos, Wirtschaftsdesaster und Inflation. Der Kanzler und sein wichtigster Vertrauensmann Blümel sind indes mit ihren justiziellen Angelegenheiten beschäftigt. So geht es jedenfalls nicht weiter, Herr Bundeskanzler, Ihr Rücktritt bitte."
FPÖ-Parteiobmann Norbert Hofer legte nach: "Es ist hoch an der Zeit, dass der Bundespräsident diese, seine Bundesregierung abberuft, wenn sie schon selbst nicht zurücktritt."
Vertrauensverlust
Ursprünglich hatten die Neos die Sachverhaltsdarstellung gegen den Kanzler eingebracht. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger sagte am Mittwoch: "Mit dem Kanzler, dem Finanzminister, dem Chef der Beteiligungsgesellschaft ÖBAG und dem Kabinettschef des Kanzler werden gleich vier Spitzen der Republik, allesamt Mitglieder der türkisen 'Familie', als Beschuldigte geführt. Das ist einzigartig und äußerst bestürzend. Sebastian Kurz hat aus der Regierung ein zwielichtiges Kabinett gemacht. Das schadet unserem Land und dem Vertrauen in die Politik massiv."
Aus dem Grünen Parlamentsklub hieß gegenüber Ö1 wissen, dass man "vollstes Vertrauen in die Justiz" habe, die nun die notwendigen Schritte setzen werde und die Vorwürfe "in Ruhe und mit der gebotenen Seriosität" klären werde.
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