Handels-KV
ÖGB-Chef: Angestellte werden wie "nasse Fetzen" behandelt
Am Dienstagabend konnte auch in der vierten KV-Verhandlungsrunde für die rund 430.000 Angestellte im Handel keine Einigung erzielt werden. Wie die Gewerkschaft im Anschluss bekannt gab, finden nun von Donnerstag bis Sonntag erste Warnstreiks statt. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian erklärte am Mittwoch, dass er die Kampfbereitschaft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die wie "nasse Fetzen" behandelt werden, verstehen könne. Der ÖGB-Chef zeigte sich zudem "maximal irritiert" davon, dass einige Betriebe nun Betriebsräte unter Druck setzen und bedrohen.
ÖSTERREICH. Während sich die Sozialpartner in der Nacht auf Dienstag auf einen neuen Kollektivvertrag für die Sozialwirtschaft einigen konnten, gestalteten sich die Verhandlungen im Handel weiterhin zäh. Während die Arbeitgeberseite nach der gescheiterten Verhandlungsrunde beteuerte, "einen großen Schritt auf die Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter" zugegangen zu sein, bezeichnete die Gewerkschaft das neue Angebot angesichts der hohen Teuerung als einen "Affront gegenüber den Beschäftigten, die teilweise nicht mehr wissen, wie sie finanziell über die Runden kommen". Am Donnerstag startet nach einer Welle von Streiks zudem die nächste Runde der KV-Verhandlungen der Metaller, wo sich bisher ebenfalls keine Einigung andeutet.
Katzian schiebt Regierung schwarzen Peter zu
ÖGB-Chef Wolfgang Katzian erklärte am Mittwoch im "Ö1 Morgenjournal", dass sich bereits im vergangenen Jahr abgezeichnet habe, dass es heuer zu schwierigen KV-Verhandlungen kommen werde. So habe die Gewerkschaft der Bundesregierung immer wieder mitgeteilt, dass man inflationsdämpfende Maßnahmen setzen müsse, damit die Teuerung im Gleichklang mit anderen europäischen Ländern sinke. "Hätten wir eine niedrigere Inflation gehabt, wäre auch die rollierende Inflation niedriger und wir hätten eine andere Ausgangslage. Das ist nicht geschehen; da hat man sich für einen anderen Weg entschieden", kritisierte Katzian.
Aufgrund dieser Entwicklungen habe man nun die Situation, dass die Preise in den letzten 12 Monaten massiv gestiegen seien, weshalb die Löhne und Gehälter nun aufholen müssten. "Tun sie das nicht, sinkt die Kaufkraft dramatisch und dann braucht mir der Kollege vom Handel auch nicht erzählen, dass sie ein Umsatzproblem haben. Weil mit welchem Geld sollen sich die Leute was kaufen, wenn alles teurer geworden ist und das nicht ausgeglichen wird", so der ÖGB-Chef.
Handelsangestellte wie "nasse Fetzen" behandelt
Katzian erklärte, dass die nun folgenden Streiks im Handel nicht vorprogrammiert gewesen sein. Er habe in den vergangenen Tagen gehofft, dass die KV-Verhandlungen, wie nun auch in der Sozialwirtschaft, zu einem Abschluss kommen könnten. Schließlich habe man bereits nicht nur im öffentlichen Dienst, sondern auch in der Privatwirtschaft – etwa bei den Bäckerinnen und Bäckern oder in den Brauereien – gute Abschlüsse über der rollierenden Inflation erzielen können. "Warum das genau im Handel und im Metallbereich nicht gehen sollte, muss mir auch erst jemand mal erklären", so der ÖGB-Chef.
Katzian zeigte sich auch verärgert darüber, dass die Angestellten im Handel während der Corona-Krise noch beklatscht und als systemrelevant bezeichnet wurden, während man sie jetzt "wie einen nassen Fetzen" behandle und ihnen "nicht mal ansatzweise" einer Erhöhung der Gehälter um die rollierende Inflation zugestehen möchte. Er könne daher verstehen, dass die Menschen nun "angefressen" seien und zunehmend in den Konflikt mit den Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gehen würden.
Katzian: "Betriebsräte werden bedroht"
Der ÖGB-Chef kritisiert auch die Art und Weise, wie gewisse Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aktuell mit der Sozialpartnerschaft umgehen würden. Er zeigte sich "maximal irritiert" darüber, dass in einigen Betrieben dazu übergegangen werde, Betriebsräte, Einzelpersonen und Gewerkschaften unter Druck zu setzen und zu bedrohen. Katzian warnte davor, dass diesen Personen klar sein müsse, dass man sich mit "allen" anlege, wenn man eine Einzelperson unter Druck setze. Schließlich handle es sich etwa bei Betriebsräten um Teile einer Bewegung.
ÖGB-Chef setzt weiter auf Einjahresabschlüsse
Angesprochen darauf, dass der WIFO-Chef Gabriel Felbermayr im Sommer angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage eine zeitliche Streckung der Lohnabschlüsse vorgeschlagen habe, erklärte Katzian, sich weiterhin für Einjahresabschlüsse auszusprechen. Zwar habe die Gewerkschaft in der Vergangenheit und zuletzt auch in "fast allen Branchen der Bauwirtschaft" Zweijahresabschlüsse umgesetzt, dabei sei allerdings nie die rollierende Inflation außer Frage gestellt worden.
Der ÖGB-Chef erklärte zudem die Folgen davon, wenn man Zweijahresabschlüsse umsetze, aber den Menschen heuer nicht die rollierende Inflation zugestehen würde: So hatten die Angestellten in den letzten Monaten mit Mieterhöhungen, Teuerungen bei Energie und hohen Lebensmittelpreisen zu kämpfen, weshalb sie auch weniger für den Konsum ausgeben konnten. Auch wenn die Inflation jetzt zurückgehe, werde "nix billiger", sondern weiterhin teuer bleiben – "Wer das Geld nicht hergibt, dem muss klar sein, dass sich die Menschen weniger leisten können", so Katzian. Dies hätte massive Auswirkungen auf die Kaufkraft in Österreich.
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