Verein Wirtschaft für Integration: Ali Rahimi und Georg Kraft-Kinz über Flüchtlinge und Integration

Ali Rahimi und Georg Kraft-Kinz (v.l.) gründeten im März 2009 den Verein Wirtschaft für Integration. | Foto: VWFI
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ÖSTERREICH. Auf den ersten Blick haben der Banker Georg Kraft-Kinz und der Teppichhändler Ali Rahimi wenig gemeinsam. Kraft-Kinz ist in Graz geboren, wo er Rechtswissenschaften studierte. Seit 2003 ist er stellvertretender Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien. Ali Rahimi kam in Teheran auf die Welt. Als er drei Jahre alt war, übersiedelte sein Familie nach Wien, wo sein Vater einige Teppichgeschäfte gründete. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft übernahm Rahimi den Betrieb seines Vaters. 2009 gründeten Kraft-Kinz und Rahimi den Verein Wirtschaft für Integration. Ziel des Vereins ist laut Eigenbeschreibung, „einen neuen, potenzialorientierten Zugang zum Thema Integration in Österreich zu positionieren“.

Soll Österreich noch mehr Flüchtlinge aus dem Nahen Osten aufnehmen?
GEORG KRAFT-KINZ: Die Frage ob wir „sollen“ stellt sich nicht, denn die Rechtslage ist eindeutig: Asyl ist ein Menschenrecht. Laut Genfer Flüchtlingskonvention muss Österreich Menschen Schutz bieten, die vor Krieg oder Verfolgung fliehen. Es ist also unsere Verpflichtung, diese Menschen aufzunehmen und bestmöglich zu versorgen. Gleichzeitig dürfen wir auch die mittelfristige Perspektive nicht aus den Augen verlieren.

Was heißt das?
Kraft-Kinz: Das Integrationsministerium rechnet damit, dass mindestens 30.000 Menschen, die heuer in Österreich um Asyl ansuchen, dieses auch bekommen werden. Diese Menschen hier in unserer Gesellschaft aufzunehmen und in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist eine Herausforderung, die wir bewältigen können. Dazu müssen wir aber alle an einem Strang ziehen – die Politik ebenso wie die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft.

Wie kann Integration in Österreich funktionieren?
ALI RAHIMI: Integration ist ein beidseitiger Prozess. Gegenseitiger Respekt und Anerkennung spielen dabei eine Schlüsselrolle. Gelungene Integration bedeutet volle Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Damit das passieren kann, muss die Politik Chancengerechtigkeit schaffen – das beginnt beim diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt und reicht bis zum Recht auf politische Mitbestimmung.

Was würde ein Ali Rahimi einem „frisch gebackenen“ Immigranten in Österreich raten?
Rahimi: Besonders wichtig ist der schnelle Erwerb der Landessprache. Denn ohne Deutschkenntnisse ist es nicht nur sehr schwierig, am heimischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, auch eine Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben ist ohne Kenntnisse der deutschen Sprache nahezu unmöglich. Gleichzeitig ist es wichtig, die eigenen Wurzeln, die Herkunft nicht zu vergessen. Es ist wichtig, zu wissen, woher man kommt. Das ist Teil der persönlichen Identität – egal, ob man sich physisch gerade in Europa oder auf einem anderen Kontinent befindet.

Sind die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten die Fachkräfte der Zukunft?
Kraft-Kinz: Qualifikation ist keine Frage der geografischen Herkunft oder der ethnischen Zugehörigkeit, sondern eine Frage der Ausbildung. Die aus dem Nahen Osten geflüchteten Menschen haben definitiv das Potenzial dazu, top-qualifizierte Fachkräfte der Zukunft zu sein. Genauso wie ein Dragan, eine Zusanna oder ein Michael, die in Österreich, Polen oder Deutschland geboren worden sind, und hier arbeiten.

"Flüchtlinge kommen nicht als billige Arbeitskräfte nach Österreich, sondern weil sie in ihrer Heimat um Leib und Leben fürchten."

Man unterstellt der Wirtschaft oft, dass sie die billigen Immigranten am Arbeitsmarkt durch noch billigere ersetzen will.
Kraft-Kinz: Hier müssen wir ganz klar zwischen Migration und Flucht unterscheiden. Flüchtlinge kommen nicht als billige Arbeitskräfte nach Österreich, sondern weil sie in ihrer Heimat um Leib und Leben fürchten. Zumal Asylsuchende ja bis auf wenige Ausnahmen gar nicht arbeiten dürfen. Bei den Verdrängungsmechanismen, die Sie ansprechen, geht es in erster Linie auch gar nicht um die Herkunft. Vielmehr handelt es sich hier um ein Qualifikationsproblem: Ursache ist die mangelnde Ausbildung, von der insbesondere Menschen aus sozioökonomisch benachteiligten Kreisen betroffen sind. Das Problem hat also wenig mit der Herkunft zu tun, sondern vielmehr mit mangelnder Chancengleichheit. Um das zu bekämpfen, muss man beim Zugang zu Bildung ansetzen!

Schön und gut. Aber wie nimmt man den Menschen die Angst vor Ausländern und Flüchtlingen, die ja trotz großer Hilfsbereitschaft in vielen Teilen der österreichischen Bevölkerung noch immer vorhanden ist?
Rahimi: Man sagt ja: „Durch’s Reden kommen die Leut z’sam.“ Das ist wirklich so: Dort, wo es persönlichen Kontakt gibt, sind die Vorurteile wesentlich geringer ausgeprägt. Auch mit Information kann Angst-Prävention betrieben werden. Es geht darum, nicht denen die Bühne zu überlassen, die mit rechter Hetze die Ängste der Menschen schüren und aus der Situation Kapital schlagen wollen. Wir dürfen deshalb die realen Probleme auch nicht verschweigen, sondern müssen diese klar benennen und Lösungen aufzeigen.

Danke für das Gespräch!

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* Berichte zur Situation derFlüchtlinge in Salzburg
* Berichte zum Thema Flüchtlinge in Wien
* Website des Vereins Wirtschaft für Integration

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