Vom inneren Beben

Foto: JUngwirth

Sind Sie gedanklich noch in Graz anzutreffen oder schon abgereist?
Ich hatte nun meine letzten Premieren hier am Haus und war noch gefordert. Zwischendurch war ich auch oft in Bregenz – ich muss sagen, die Verbindung ist zum Pendeln nicht ganz ideal …

Mit Jänner übernehmen Sie die Leitung der Bregenzer Festspiele. Worauf freuen Sie sich?
Auf das konzentrierte Arbeiten. Ich war nun 23 Jahre an Häusern mit Tagesbetrieb. In Bregenz bleibt mehr Zeit, um sich auf einzelne Produktionen einzulassen.

Was hat Bregenz, was Graz nicht hat?
Einen Bodensee (lacht)! Ich freue mich auch auf die Berge. Die Verbindung von Kunst und Natur ist einzigartig und die Seebühne ist fast erschreckend groß – da gibt es 7000 Besucher und ein Bühnenbild, das 28 Meter hoch ist …

Sind Sie nervös?
Ich spüre eine Aufregung und Anregung! Es warten neue Aufgaben.

Sie waren nun seit 2009 Intendantin der Grazer Oper. Welche Bilanz ziehen Sie?
Ich habe noch nie in einem so stimmigen Team gearbeitet was die Organisation und die menschliche Komponente betrifft. Deshalb fällt mir der Abschied auch nicht leicht.

Hat Sie Ihre Zeit in Graz geprägt oder verändert?
Ich bin geduldiger geworden. Ich habe neue Verantwortung getragen und gelernt, dass man auch nicht alles umwerfen und ändern kann …

Ihr Beruf bringt einige Ortswechsel mit sich: Sie haben in Wien, Berlin, Graz,… gelebt. Jetzt geht‘s nach Bregenz. Sind Sie eine rastlose Seele?
Das nicht, aber ich brauche neue Aufgaben und Eindrücke. Das gibt mir Energie und bringt neue Ideen. Ich wäre aber auch gerne in Graz geblieben, doch so ein Angebot muss man einfach annehmen.

Haben Sie sich privat schon an die Siedelei von Stadt zu Stadt gewöhnt?
Naja, meine Wohnung in meiner Heimatstadt Wien behalte ich stets. Mein Partner ist Musikdirektor in Kopenhagen. Mein Sohn Felix (10) zieht mit mir mit, gleich wie meine Mutter. Sie macht das, seit Felix auf der Welt ist, was mir den Alltag sehr erleichtert. Meine Mutter war auch die erste, die ich zu Bregenz befragt habe – und sie hat gesagt, sie geht mit. Das war wichtig.

Im Kulturbereich gibt es grundsätzlich wenige Frauen an der Spitze von Opernhäusern, Festivals … Was denken Sie, warum das so ist?
Es gibt kaum einen familienfeindlicheren Beruf als am Theater – sowohl was die Arbeitszeiten als auch das nötige Verständnis betrifft: In der Oper geht es zwar nicht wirklich um Leben und Tod – wir empfinden aber jede Premiere so (lacht). Vielleicht finden sich manche Frauen auch nicht so leicht in Machtrollen ein.

Tun sich Frauen schwerer damit Autorität zu zeigen?
Durch ihre Erziehung sind einige Frauen wahrscheinlich so geprägt, dass sie ihre Energie mehr in die Vor- und Nachbereitung von Aufgaben stecken, als in die Demonstration von Autorität. Aber das ändert sich nun, wie das Führungsverhalten insgesamt. Auch das Internet sorgt dafür, dass Hierarchien nivelliert werden. Ich selbst dachte lange, ein Opernhaus kann man nur autoritär führen wie einige meine ehemaligen Vorgesetzten, etwa Ioan Holender, doch ich habe gemerkt: Man kann nur so führen, wie man ist. Bei mir ist das: Kooperativ und teamorientiert.

Graz ist anders: In der Kulturbranche gibt es viele Frauen an der Spitze.
Ja, in Graz gibt es hochwertige Auswahlverfahren. Zudem hat Anna Badora tolle Arbeit geleistet und vieles bewegt. So wird Frauen mehr zugetraut.

Was macht eigentlich den Zauber der Oper aus?
Die Musik verstärkt die Geschichten und Emotionen. Die Oper berührt, da kann es innere Beben geben!

Machen Sie privat auch Musik?
Ich grabe gerade meine verschütteten Klavierkenntnisse aus, weil mein Sohn Cello lernt. Wir wollen Weihnachtslieder einstudieren: Wir üben „Stille Nacht“ und „Ihr Kinderlein kommet“ (lacht)!

STECKBRIEF
- geb. am 7. 10. 1965 in Wien
- studierte Musikwissenschaft
- war u. a. Chefdisponentin der
Wiener Staatsoper und Direktorin der Berliner Staatsoper
2009-14 Intendantin Oper Graz

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