Bodenversiegelung
Begrünte Dächer anstatt Parkplatz-Betonwüsten
Es ist eine Kausalkette: Bodenschutz, Klimaschutz, lebenswerte Stadt der Zukunft. Wie man in Graz versiegelte Fläche aufbrechen und Städtewachstum mit Boden- und Klimaschutz unter einen Hut zu bringen will.
GRAZ. Wer in der Stadtplanung tätig ist, muss geduldig und optimistisch sein, findet Bernhard Inninger. "Jeder Baum, den wir heute setzen, wird erst in 20 Jahren so viel Schatten- und Verdunstungsleistung haben, dass es etwas bringt." Der Leiter des Grazer Stadtplanungsamts ist sich der Verantwortung über den Erhalt einer lebenswerten Stadt für nachkommende Generationen bewusst. Bodenschutz ist immer auch Klimaschutz, heißt es im Österreichischen Klimabündnis. Doch schlicht weniger Bauland auszuweisen, wäre ja "eine einfache Übung". In Graz verfolge man schon seit Jahrzehnten eine Strategie der effizienten Bodennutzung durch Verdichtung, erklärt Inninger. Dafür gilt es, den Bodenverbrauch pro Kopf zu senken – doch wie funktioniert das?
Wirtschaftlich attraktives Angebot
Ein Beispiel: Im Grazer Süden zwischen ÖAMTC, Stadion und entlang der Conrad-Von-Hötzendorf-Straße verbrauchen vor allem gewerblich genutzte Flächen extrem viel Boden. Im Sinne des Klimaschutzes bislang eine schlechte Flächennutzung, denn ein eingeschossiger Supermarkt gibt hier keinen Wohnraum und nur wenige Arbeitsplätze pro Quadratmeter her, während 80 bis 100% des Grundstückes versiegelt sind.
Im Rahmen des 4. Flächenwidmungsplans von 2018 hat der Grazer Gemeinderat in diesem Stadtgebiet jedoch eine Umwidmung vorgenommen. Während das ehemalige Gewerbegebiet als sogenanntes Kerngebiet neu ausgewiesen wurde, hat man zur Qualitätssicherung gleichzeitig eine Bebauungsplanpflicht verhängt. Rechtlich gesehen entsteht durch diese Umwidmung des Baulandes nun die Möglichkeit, der Liegenschaft unter Einhaltung des Bebauungsplans mehr Nutzungsmöglichkeiten und eine höhere Bebauungsdichte zuzuführen, wie der Stadtplanungschef erklärt. Das sei ein wirtschaftlich attraktives Angebot.
Denn für die Parkplatz-Betonwüste, auf der eingeschossige Supermärkte für gewöhnlich stehen, bedeutet das eine erhebliche Wertsteigerung. Für den Eigentümer oder die Eigentümerin des Grundstücks lohnt es sich nämlich plötzlich, die versiegelte Fläche aufzubrechen und unter Einhaltung des Bebauungsplans neu zu bebauen:
"Der Eigentümer kann dann zum Beispiel sechs Mal so viel Fläche verwerten und – egal, ob er verkauft oder vermietet – er hat jeden Monat sechs Mal so viele Einnahmen. Im Erdgeschoss der neuen Bebauung könnte dann wieder der Supermarkt sein, darüber eine Gemeinschaftspraxis, ein Bürogeschoss, drei Wohngeschosse und die Einnahme sprudelt."
Bernhard Inninger, Leiter des Stadtplanungsamt der Stadt Graz
Mit diesen Drehschrauben in Flächenwidmungs- und Bebauungsplan kann auf kommunaler Ebene zumindest anteilig die Möglichkeit der Entsiegelung geschaffen werden. Denn mit Zwangsmaßnahmen könne man grundrechtlich ohnehin nicht in Baubestand eingreifen. Die gute Nachricht sei jedoch, dass man zukünftigen Bauprojekten, ob Um- oder Neubau, neue Bauvorschriften zugrunde legen könne, so Inninger.
Bodenschutz durch verpflichtenden Grünflächenfaktor
Das Instrument dafür ist das Stadtentwicklungskonzept (STEK), in dem neben Zielen und Richtlinien für eine langfristige Stadtentwicklung auch die Verteilung von Flächennutzungen festgelegt wird. Das aktuelle STEK der Stadt Graz stammt aus dem Jahr 2013 und soll heuer ein zeitgemäßes und klimagerechtes Update bekommen (STEK 4.0).
Auf diese Weise möchte man im Sinne des Bodenschutzes etwa einen verpflichtenden Grünflächenanteil für neue Bauprojekte aufsetzen. Um Bauvorhaben mit der Baum- und Grünflächenerhaltung miteinander in Einklang zu bringen, sind neben den schon bestehenden Förderungen für Dach- und Fassadenbegrünung, ein Bonussystem sowie flexibler planerischer Spielraum als Anreiz geplant.
"Viele Wegen führen ans Ziel. Wenn das Grundstück eines privaten Häuslebauers zu klein ist, um mit dem Gebäude, das er errichten möchte, den Grünflächenfaktor zu schaffen, dann könnte er beispielsweise ein viel besseres Gründach machen, als er eigentlich müsste und anstatt 15cm Substrat einen halben Meter Erde auf sein Dach geben, damit dort oben eine intensive Wiese wächst."
Bernhard Inninger, Stadtplanungsamt Graz
Der Möglichkeiten, den vorgegebenen Grünflächenfaktorzu erreichen, gebe es zahlreiche, besonders effektiv sei immer der Erhalt eines alten Baumes.
Reformpaket STEK 4.0 hängt noch in der Warteschleife
Wann und mit welchen Werten genau das STEK reformiert wird, hängt bislang aber noch von den laufenden Verhandlungen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien des Gemeinderats ab. Um das Reformpaket und damit an den Klimawandel angepasste Bauvorschriften umzusetzen, braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheitdes Gemeinderats. Gegen die Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsmaßnahmen sei keine der bis dato noch diskutierenden Parteien, vermutet Inninger, es bestehe eher der Wunsch, auch noch andere Aspekte wie eine Bekenntnis zum Wirtschaftsstandort außerdem mit aufzunehmen. Er sieht darin kein Problem. Ein Entscheidung, ob der Auflagebeschluss des STEK 4.0 vom Gemeinderat angenommen wird, könnte im Juli fallen.
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