Grazer Sportgeschichte: Von Tradition und Meilensteinen
Ein Gastbeitrag von Walter Iber im Rahmen der Serie "Stadt in Bewegung"
Graz ist eine Sportstadt voller Tradition und Vielfalt. Viele große Errungenschaften sind heute fast vergessen.
Das „Sportjahr 2021“ führt es wieder vor Augen: Die Landeshauptstadt kann im Sportbereich auf große Tradition und enorme Vielfalt verweisen. Die Bandbreite reicht weit über die Fußball-Aushängeschilder Sturm und GAK hinaus. Sie lässt sich erahnen, wenn man nur an einige Großveranstaltungen und Infrastrukturprojekte denkt – vom Staffellauf „Rund um den Schloßberg“ (1919 erstmals ausgetragen) über das Altstadt-Kriterium bis zum Graz-Marathon, vom Bad zur Sonne (erbaut 1874) über das Stadion Liebenau (Merkur Arena) bis zum neuen Raiffeisen-Sportpark.
Grazer Meilensteine
Viele weitere spannende Kapitel und Entwicklungen der Grazer Sportgeschichte sind heute kaum noch bekannt oder im öffentlichen Bewusstsein nur wenig präsent. So wissen wohl die wenigsten, dass
• Graz im 19. Jahrhundert zu den Hochburgen des Radsports zählte. Die 1884 eröffnete Radrennbahn im Park der Industriehalle hatte gewaltige Ausmaße und war die damals größte Anlage auf dem europäischen Kontinent;
• der Grazer Skisport wesentliche Impulse nicht zuletzt Persönlichkeiten mit Unternehmergeist zu verdanken hatte: So taten sich Max Kleinoscheg (aus der gleichnamigen Sekt-Dynastie) und Wolfgang Denzel (Autohaus Denzel) als Pioniere hervor;
• die GAK-Leichtathletin Ine Schäfer etwas erreichte, wovon sich heute nur träumen lässt: Bei den Olympischen Spielen 1948 in London holte sie Bronze im Kugelstoßen;
• bekannte Sport- und Outdoormarken wie „Carlo Gruber“ (zuletzt im Sortiment von adidas) oder „Kamarg“ (Rucksäcke) ihren Ursprung in Graz haben.
Sport als Ventil
Diese Beispiele bilden Bruchstücke der hiesigen Sporthistorie ab. Sport ist in Graz ein sozialer, gesellschaftlicher und ökonomischer, ja auch ein kultureller Faktor. Er bewegte die Menschen nicht nur im buchstäblichen Sinn, sondern bot, besonders in Krisenzeiten, immer auch eine Art Ventilfunktion. Schon nach dem Ersten Weltkrieg, als es zahlreiche politische und wirtschaftliche Probleme gab, suchten die Menschen nach Ablenkung und Zerstreuung vom tristen Alltag. Und sie fanden diese, ob als Athleten, Funktionäre oder Zuschauer, vielfach im Sport. Im März 1921 – die Nachkriegsnot war immer noch deutlich spürbar, die Geldentwertung schritt schnell voran – besuchten am Sturmplatz nicht weniger als 8.000 Zuseher das „Länderwettspiel“ zwischen einer steirischen Auswahl und der schwedischen Nationalelf. Das war Rekordbesuch für damalige Verhältnisse. Bereits zwei Jahre zuvor hatte auf der Grazer Trabrennbahn ein Radrennen vor 5.000 Zuschauern stattgefunden. Ohne die aktuelle Situation rund um Covid-19 mit dieser Zeit gleichsetzen zu wollen: Gewisse Automatismen kehren doch wieder. Sport und Bewegung boomen, die Menschen suchen nach Ablenkung, es zieht sie ins Freie, sie fahren Rad, gehen laufen oder wandern und ja, sie fahren auch Ski. Man darf hoffen, dass in absehbarer Zeit die Sportstätten öffnen und das Vereinswesen wieder aufblüht. Immerhin hat der Sport schon ganz andere Krisen durchtaucht …
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Aufruf:
Der Artikel oben markiert den Auftakt zu unserer großen Serie, im Rahmen derer die Grazer Sportgeschichte aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet wird. Einiges wird neu sein, bei der Erwähnung von alten Sportstätten oder Sportlegenden wird der eine oder andere aber ins Schwelgen kommen. Die WOCHE sucht parallel dazu ab sofort historische Fotos und Videos, die Sie, liebe Leserinnen und Leser, in den vergangenen Jahrzehnten gemacht haben. Wer historisches Material daheim hat, kann dieses an reinhard.lux@bik.ac.at schicken. Ausgewählte Bilder werden dann auch in der WOCHE veröffentlicht.
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