Aussetzung der Impfpflicht
So denkt die Steiermark über die Entscheidung
Die Impfpflicht gegen das Coronavirus wird ausgesetzt – das hat die Regierung am Mittwoch im Ministerrat entschieden. Das Stimmungsbild, das sich nach diesem Beschluss in der Steiermark zeichnet, ist durchwachsen.
STEIERMARK. Dass die Impfpflicht gegen das Coronavirus, wie heute (9. März) von der Bundesregierung verkündet, nun doch vorerst ausgesetzt wird, sorgt österreichweit für Diskussionen. Vertreter:innen verschiedener Interessensgruppen in der Steiermark äußern sich jedenfalls unterschiedlich.
Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), der immer Befürworter der Impfpflicht war, hält sich zu der aktuellen Entscheidung grundsätzlich bedeckt: Die Entscheidung der Expertenkommission sei "zu akzeptieren und umzusetzen". Er kritisiert vielmehr den Weg, der den heutigen Beschluss geebnet habe: "Mit der Abschaffung praktisch aller Maßnahmen per 5. März war die Impfpflicht, die sowieso ein Jahr zu spät kam, obsolet geworden." Der "Beginn des Desasters" sei gewesen, die Impfpflicht erst im Februar 2022 und nicht schon im Jänner 2021 umzusetzen, kritisiert der steirische Landeshauptmann.
Wirtschaft und Tourismus
Auch die Steirische Wirtschaftskammer (WKO) betont, die Entscheidung sei zu akzeptieren. „Wir sind keine Virologen, darum halten wir uns in dieser Frage an die Empfehlungen der Experten", äußert Direktor Karl-Heinz Dernoscheg. Angesichts der "kritischen Situation am Arbeitsmarkt" nimmt die WKO das Thema aber zum Anlass, um für ein Überdenken der aktuellen Quarantäneregelungen zu plädieren: "Eine Absonderung von symptomfrei Infizierten, die auch dreifach geimpft sind, sollte aus unserer Sicht angesichts der hohen Zahl an Neuinfektionen zumindest überdacht werden.“
Aus Sicht der steirischen Tourismusbranche ist mit keinen großen Veränderungen durch die Aussetzung der Impfpflicht zu rechnen. Vermutet wird laut Steiermark Tourismus-Geschäftsführer Erich Neuhold allenfalls eine Verbesserung der allgemeinen Stimmungslage.
Erleichterung im Gesundheitsbereich
Die Stimmungslage im Gesundheitsbereich scheint ebenso durchwachsen zu sein wie in anderen Branchen. Die Ärztekammer Steiermark steht der Entscheidung grundsätzlich positiv gegenüber. Vizepräsident Dietmar Bayer zeigt sich "erleichtert, weil massive Probleme nun bedeutungslos sind". Gemeint sind datenschutzrechtliche Probleme, die bei der Dokumentation der Impfpflicht-Ausnahmen entstanden wären.
Es wird vermutet, dass die Aussetzung der Impfpflicht nun "politische Entspannung" bringe und die viele Energie, die in den letzten Wochen in die Impfpflicht-Debatte geflossen sei, könne nun konstruktiver eingesetzt werden, sagt Bayer weiter. Denn natürlich bleibe das Ziel einer noch höheren Impfbeteiligung weiter aufrecht, "die Menschen unter Druck zu setzen, entspricht aber definitiv nicht dem ärztlichen Grundverständnis", so der Vizepräsident.
Kinder und Jugendliche waren von der Impfpflicht auch bisher ausgenommen. Das hält Reinhold Kerbl, der Vorstand der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH Hochsteiermark auch für richtig. "Eine Impfpflicht für Kinder mit dem aktuellen Impfstoff wäre nicht zu rechtfertigen", so der Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde. Er weist darauf hin, dass es, sollte es zu zusätzlichen Virusvarianten kommen, nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern generell entsprechend angepasste Impfstoffe brauchen würde, um "eine Reaktivierung der Impfpflicht zu rechtfertigen".
Pflege ist zwiegespalten
„Ich halte die Rücknahme der Impfpflicht für fatal", zeigt sich der diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger Marcel Skerget empört. Der Betriebsrat des Landespflegezentrums Mürzzuschlag erzählt von einer Überlastung, die sich auf die Normalstation verschoben habe und äußert die Befürchtung, dass es zu Infrastrukturproblemen kommen würde. Skerget, der auch für die SPÖ im Gemeinderat in Spital am Semmering vertreten ist, zeigt insofern wenig Verständnis für die Entscheidung gegen die Impfpflicht: "In der Pflege fahren wir seit zwei Jahren am Limit. Lange halten wir das nicht mehr aus."
Die Meinungen gehen aber auch im belasteten Gesundheitsbereich auseinander. Die in der Obersteiermark im Gesundheitswesen tätige Theresia Bruckgraber hat ihre ganz persönliche Haltung zum Thema Impfpflicht. Sie hat sich aufgrund ihrer Gesundheitsgeschichte gegen eine Impfung entschieden und ist wie wohl viele andere in ihrer Situation entsprechend erleichtert über die Entscheidung der Regierung: "Es war so ein langer Weg, bis ich um eine Befreiung ansuchen konnte. Das Fallen der Impfpflicht macht jetzt natürlich viele Dinge leichter."
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