Gipfel in Wien
Regierung und Experten beraten zu häuslicher Gewalt
- Beim sechsten Gewaltschutzgipfel in Wien betonte die Regierung die Bedeutung früher Prävention und präsentierte Maßnahmen aus dem neuen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen.
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Beim sechsten Gewaltschutzgipfel in Wien betonte die Regierung die Bedeutung früher Prävention und präsentierte Maßnahmen aus dem neuen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen. Grüne und FPÖ kritisierten jedoch mangelnde finanzielle Mittel, fehlende konkrete Umsetzungsschritte und sprachen von bloßer Ankündigungspolitik.
ÖSTERREICH. Im Innenministerium ist am Dienstag zum sechsten Mal der österreichische Gewaltschutzgipfel abgehalten worden. Fachleute aus Beratungsstellen, Verwaltung und Politik diskutierten aktuelle Entwicklungen und Maßnahmen zum Schutz vor geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt. Der Gipfel fand im Rahmen der internationalen Kampagne "16 Tage gegen Gewalt an Frauen" statt. Überschattet wurde die Diskussion vom jüngsten Femizid an einer Grazerin, deren Ex-Partner aktuell in U-Haft sitzt.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) betonte, Österreich könne beim Gewaltschutz auf einem "soliden, guten Fundament" aufbauen. Die Zahl der polizeilichen Betretungs- und Annäherungsverbote sei im Vorjahr auf 14.500 gestiegen. Das liege daran, "dass weniger zugedeckt und mehr hingesehen" werde, so Karner. Die Polizei habe zudem die Zahl ihrer Präventionsbeamtinnen und -beamten von rund 500 auf 1.300 mehr als verdoppelt, und auch der steigende Anteil weiblicher Polizistinnen verbessere die Ansprechbarkeit für betroffene Frauen.
Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) unterstrich, der Schutz von Frauen sei "keine rein frauenpolitische Aufgabe, sondern eine Aufgabe der gesamten Bundesregierung". Gewalt an Frauen kenne weder Herkunft noch Religion, aber ein klares Muster: männliches Anspruchsdenken. Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) verurteilte den jüngsten Femizid scharf: Männer dürften sich nicht über Frauen erheben und schon gar nicht über deren Leben bestimmen.
Frühe Prävention im Fokus
Ein zentrales Thema des Gipfels war die Präventionsarbeit. Marina Sorgo, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbandes der Gewaltschutzzentren, warnte davor, erst im Krisenfall zu handeln. Prävention müsse bereits im frühkindlichen Alter einsetzen. Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos) kündigte deshalb an, Kinder schon früh über ihre eigenen Rechte aufklären zu wollen, damit sie sich notfalls Hilfe holen können. Fortschritte im Gewaltschutz seien langfristige Prozesse, betonte Sorgo – sie benötigten "Zuversicht, langen Atem und Engagement".
- Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos) will das nun ändern – und die Sicherheitsmaßnahmen auch auf den privaten Gebrauch ausweiten.
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Im Zuge des Gipfels wurde auch über den kürzlich präsentierten Nationalen Aktionsplan (NAP) gegen Gewalt an Frauen diskutiert. Vorgesehen sind unter anderem elektronische Fußfesseln bzw. Armbänder für Hochrisikogewalttäter ab 2026, die Ausweitung von Betretungsverboten für Sexualstraftäter, Workshops gegen ehrkulturelle Gewalt sowie bis 2029 die flächendeckende Einrichtung von Gewaltambulanzen.
Zudem prüft die Regierung ein Verbot heimlicher, sexuell motivierter Bildaufnahmen und rechtliche Schritte gegen missbräuchliche Deepfakes. Noch offen bleibt die Reform des Sexualstrafrechts. Das Konsensprinzip "Nur Ja heißt Ja" werde weiter diskutiert, sagte Justizministerin Sporrer. Ziel sei eine gesetzliche Verankerung.
Opposition spricht von Ankündigungspolitik
Kritik kam erneut von FPÖ und Grünen. FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker warf der Regierung vor, zu viel anzukündigen und zu wenig umzusetzen. Frauen bräuchten rasche und wirksame Schutzmaßnahmen, keine jahrelangen Debatten. Besonders im Gewaltschutz fehle es an konkreten Schritten und ausreichender Finanzierung.
Die Grünen sehen im Aktionsplan eine "unverbindliche Mogelpackung". Frauensprecherin Meri Disoski verlangte ausfinanzierte Schutz- und Beratungsangebote, die gesetzliche Verankerung von "Nur Ja heißt Ja" sowie Maßnahmen zur Stärkung der finanziellen Unabhängigkeit von Frauen. Viele dieser Punkte fehlten im vorliegenden Aktionsplan, so Disoski abschließend.
Hilfe für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen
24-Stunden-Frauennotruf: 01/12 345
24-Stunden-Frauennotruf der Wiener Frauenhäuser: 05 77 22
Frauenhelpline: 0800/222 555
Droht akute Gewalt, Polizeinotruf unter 133 oder 112 verständigen. Gehörlose und Hörbehinderte können per SMS an 0800/133 133 Hilfe rufen.
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