Ulrike Lunacek im Interview: "Wir wollen eine Klima-Milliarde" – mit Video!

Ulrike Lunacek, Spitzenkandidatin der Grünen, im Gespräch mit Wolfgang Unterhuber und Linda Osusky: "Nach diesem Sommer verstehen viele Leute, dass aktive Klimapolitik notwendig ist." | Foto: Arnold Burghardt
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  • Ulrike Lunacek, Spitzenkandidatin der Grünen, im Gespräch mit Wolfgang Unterhuber und Linda Osusky: "Nach diesem Sommer verstehen viele Leute, dass aktive Klimapolitik notwendig ist."
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Träumen Sie manchmal von Peter Pilz?
LUNACEK: Nein (lacht).

Auch keine Albträume zu den Umfragen?

Nein, auch keine Albträume.

Wie chaotisch ist es momentan bei den Grünen?

Gar nicht. Wir sind gut aufgestellt. Ich erlebe eine positive Stimmung und die Aufholjagd läuft.

War Eva Glawischnig so gut, dass ihren Job als Spitzenkandidatin, Parteichefin und Clubchefin jetzt drei Leute machen müssen?
Eva Glawischnig hat ja bei ihrem Abgang gesagt, dass die Belastung eine sehr hohe war. Ich finde, die jetzige Lösung in dieser Situation war die beste.

Die Grünen gelten oft als abgehobene Bobo-Partei. Warum sollten Arbeiter aus Simmering oder Kapfenberg die Grünen wählen?
Weil wir für leistbares Wohnen kämpfen. Wir fordern bundesweit vom Sozialwohnbau bis zur Privatmiete gesetzliche Mietzinsobergrenzen. Mit Ab- und Zuschlägen bis zu 25 Prozent, je nach Ausstattung und Zustand der Wohnung. Dafür setzen wir Grüne uns auf Bundesebene ein.

Können Sie uns kurz sagen, wofür die Grünen eigentlich stehen?
Für eine glaubwürdige Umwelt- und Klimapolitik, für eine lebensnahe Sozialpolitik, für Menschenrechte und gegen Korruption.

Und die Grünen wollen mehr Europa.

Wir wollen eine Reform. Die Regierungen, die jetzt im Europäischen Rat sind, sollten in Form einer zweiten parlamentarischen Kammer klare Themenbereiche behandeln und darüber entscheiden.

Was wäre der Vorteil?
In dieser Kammer könnten Mehrheitsentscheidungen getroffen werden. Es würde kein Veto-Recht für einzelne Staaten mehr geben, wie das jetzt im Rat der Fall ist.

Wollen Sie die Vereinigten Staaten von Europa?
Wir wollen eine gemeinsame Außenpolitik, Finanz- und Wirtschaftspolitik und Steuerpolitik. Es geht nicht, dass bei den Steuern jedes Land macht, was es will. Das gehört auf europäischer Ebene gelöst.

Soll die Türkei in die EU?
Ich sehe die Türkei als geostrategischen Teil Europas. Unter diesem autoritären Regime ist derzeit kein Beitritt zur EU möglich.

Grenzkontrollen oder Willkommenskultur für alle?

Wir brauchen einerseits Grenzkontrollen an den EU-Außengrenzen und andererseits muss Flüchtlingen geholfen werden.

Schaffen wir das?
Ja. Es gibt in Österreich viele tolle Bürgermeister, die es gemeinsam mit der Bevölkerung geschafft haben, Leute aufzunehmen. Ein Prozent Flüchtlinge pro europäischer Gemeinde mit 1000 Einwohner bedeutet zehn Flüchtlinge. Da gibt es viele positive Beispiele dazu, auch außerhalb Österreichs. Wir brauchen dennoch ein geordnetes europäisches Asyl- und Migrationssystem und eine massive Bekämpfung der Fluchtursachen etwa in Afrika.

Wie soll das gehen?
Keine Waffenlieferungen aus den Industrieländern in kriegstreibende Länder und faire Handelsbeziehungen, wo regionale und lokale Märkte nicht ausgebeutet werden.

Wie erklären Sie unseren Pensionisten, dass die Mindestsicherung für Flüchtlinge manchmal gleich hoch ist wie ihre Pension?
Die Mindestsicherung – das absolute Existenzminimum – gibt es nur vorübergehend, wird kaum zur Gänze ausbezahlt und dann nur bei voller Erfüllung aller Verpflichtungen wie Deutschkurse. Tatsächlich sind niedrige Pensionen deutlich zu erhöhen. Es sind übrigens wir, die dazu ein finanzierbares Programm haben. ÖVP, FPÖ und SPÖ haben dieses aber stets abgelehnt.

Ulrike Lunacek, Spitzenkandidatin der Grünen, im Interview
Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek im Interview. (Foto: Arnold Burghardt)

Wie möchten die Grünen die Wirtschaft ankurbeln?
Zum Glück läuft die Wirtschaft wieder. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um in den Klimaschutz zu investieren. Sprich: Wir wollen eine Klimamilliarde.

Und wofür?
Fossile Energie wird in Österreich jährlich mit vier Milliarden Euro an Steuergeld subventioniert. Wir Grünen fordern daher eine Milliarde für Sofortmaßnahmen. Etwa für den Ausbau des leistbaren, öffentlichen Verkehrs und die E-Mobilität. Für die Umrüstung von Öl-Kesseln auf klimaschonende Heizsysteme und die Förderung der thermischen Sanierung. Vor einigen Jahren gab es dafür noch jährlich 100 Millionen Euro. Jetzt sind es nur noch 43 Millionen. Eine solche Klimamilliarde würde tausende neue Jobs schaffen und zugleich dem Klimaschutz dienen. Ich glaube, nach den Unwettern und der Trockenheit in diesem Sommer verstehen viele Leute, dass das notwendig ist.

Was haben die Grünen für Steuerpläne?
Wir wollen eine Entlastung der Steuern auf Arbeit. Dafür wollen wir fossile Energie kostenneutral besteuern. Und wir wollen eine gestaffelte Erbschafts- und Schenkungssteuer ab 500.000 Euro. Wir sehen das als Solidarbeitrag. Auch reichere Menschen profitieren von der guten Infrastruktur und dem sozialen Frieden in unserem Land.

Die Grünen wollen auch eine CO2-Steuer auf EU-Ebene?
Kerosin oder Schiffsdiesel gehören höher besteuert beziehungsweise weniger subventioniert.

Wer blockiert das in der EU?
Die großen Parteien.

Durch den Druck der Lobbys?
Auch, aber nicht nur. Der Ausstieg aus den fossilen Energien bedeutet für viele europäische Energieunternehmen, dass sie weniger Geld verdienen werden. Deshalb müssen wir rasch auf eine ökosoziale Wirtschaft umsteigen und auch darin investieren, damit Green Jobs entstehen können. Und: Energieeffizienz ist ebenso ein Gebot der Stunde.

Zum Schluss noch eine Traum-Frage: Wie lautet Ihr Wahlziel?
Zehn Prozent plus x.

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