Erste Analyse
Wie sich der Lockdown auf das Gesundheitssystem auswirkte

Der mehrwöchige Lockdown im Frühjahr hat seinen wichtigsten Zweck erfüllt: Das Gesundheitssystem geriet nie an seine Grenzen. Dafür gab es im stationären Bereich zahlreiche Absagen von Operationen, so der Gesundheitsminister. | Foto: bka/Wenzel
  • Der mehrwöchige Lockdown im Frühjahr hat seinen wichtigsten Zweck erfüllt: Das Gesundheitssystem geriet nie an seine Grenzen. Dafür gab es im stationären Bereich zahlreiche Absagen von Operationen, so der Gesundheitsminister.
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Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz eine erste Analyse der Folgen des Lockdowns auf das Gesundheitssystem präsentiert. Die stationären Aufenthalte in Österreichs Krankenhäusern gingen stark zurück.

ÖSTERREICH. Der Lockdown hatte zum Ziel, das Gesundheitssystem vor einer Überbelastung zu schützen, was auch gelungen ist, so Anschober. Die Konzentration auf Covid-19 Patienten hatte jeodch eine Reihe von Nebenwirkungen auf viele andere Patienten, die das Gesundheitswesen noch lange beschäftigen werden, weil viele Operationen und Therapien verschoben wurden, wie erste Ergebnisse der Analyse über die Folgen des Lockdown belegen. 

Diese Analyse sei aber nur mit Vorsicht zu genießen, betonte der Gesundheitsminister. Die nun vorgestellten Zahlen hätten bloß eine beschränkte Aussagekraft, da sie noch nicht vollständig seien. Bis Jahresende solle die Gesundheitsfolgenabschätzung auf dem Tisch liegen, sagte Anschober.

25 Prozent weniger Krebsdiagnosen

Zum einen sanken die Aufenthalte von Krebspatienten um 20 Prozent, weil Patienten aufgrund der Verunsicherung das Krankenhaus lieber mieden, erklärte Studienautorin Karin Eglau. Vor allem im April und Mai ging die Zahl der Brustkrebsdiagnosen zurück, weil etwa auch weniger Mammografien durchgeführt worden sind. Auch Spitalsaufenthalte nach Herzinfakten gingen um 25 Prozent zurück, da Menschen zu Hause blieben und sich so das Risiko vermindert habe. Bei den Schlaganfällen sei die Zahl hingegen gleich geblieben, in manch anderen Ländern gab es hier einen Rückgang von minus 40 Prozent. Stationäre Aufenthalte nach einem Unfall haben sich sogar halbiert. Es wurden wohl weniger Risikosportarten ausgeübt", mutmaßte Eglau. Es habe auch weniger Autounfälle wegen des Lockdowns gegeben. Es mussten auch weit weniger Kinder unter 14 Jahren ambulant behandelt werden. Das sei nicht zuletzt eine Auswirkung der Schließung von Schulen und Kindergärten.

Zahl der Beschwerden stieg stark an

Während des Herunterfahrens des Gesundheitssystems sei die Zahl der Beschwerden stark nach oben gegangen, sagte Margot Ham-Rubisch von der Wiener Patientenanwaltschaft. Viele Operationen wie wegen Grauen Star, künstlichen Knie- und Hüftgelenke wurden verschoben ohne einen Alternativtermin anzubieten. „Im niedergelassenen Bereich war es sehr schwierig für die Patienten, da es zu unkoordinierten Ordinationsschließungen kam.“

"Melden Sie sich, wenn das Corona-Chaos vorbei ist."

Außerdem sei es immer wieder zu telefonischen Abweisungen von Patienten gekommen. Als Beispiel nannte Ham-Rubisch die Beschwerde von einem Mann mit starkem Verdacht auf Prostatakrebs. Für die weitergehenden Untersuchungen zur Abklärung hieß es vonseiten des Wiener Spitals einfach: "Melden Sie sich, wenn das Corona-Chaos vorbei ist." 

Als Folge spricht sich Ham-Rubisch für einen von der Sozialversicherung und der Ärztekammer gemeinsamen zusammengestellten Kriterienkatalog für Praxisschließungen aus. Krankenhausträger müssten im Falle eines Lockdowns eine Auflistung aller angebotener Leistungen vorliegen. 

FPÖ kritisiert Coronavirus-Fixiertheit von Anschober

Kritik kommt von der FPÖ: Der Rückgang von zahlreichen Behandlungen von Herzinfarkten, Krebserkrankungen oder Unfällen während der Lockdown-Phase sei "der endgültige Beweis dafür, dass die Covid-Panikmache der türkis-grünen Bundesregierung zu massiven gesundheitlichen Kollateralschäden in Österreich geführt hat“, so FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer in einer Aussendung. Der Gesundheitsminister schade der Gesundheit der Menschen, weil viele Menschen hätten sich trotz schwerer Erkrankungen aus Angst vor einer Ansteckung nicht getraut eine Spital aufzusuchen. Die Bundesregierung müsse zudem für das Aussetzen im Bereich der Vorsorgeuntersuchungen die Verantwortung tragen, forderte Hofer.

NEOS: Endlich Angstpolitik beenden

Die NEOS sehen die präsentierte Analyse als Anlass "die Angstpolitik zu beenden und den Menschen zu zeigen, dass unser Gesundheitssystem der Coronakrise gewachsen ist“, so NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker.  Es sei schockierend, "wenn man sich vorstellt, dass Krebspatientinnen und -patienten vor Angst und schlechtem Gewissen nicht mehr zu ihren überlebensnotwendigen Behandlungen gegangen sind.“ Das Virus würde Österreich und die Welt noch lange begleiten. Daher müsse die Bundesregierung, allen voran der Gesundheitsminister, einen Modus finden, wie man COVID-19-Patient_innen behandeln könne, ohne andere Patient_innen zu vernachlässigen, heißt es in der Aussendung. 

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