"Handfeste Rezession"
Industriellenvereinigung-Chef besorgt um Wirtschaft

Laut IV-Präsident Georg Knill ist heimische Industriestandort am Wendepunkt. | Foto: Florian Schroetter / EXPA / picturedesk.com
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Steuerreduktion bis Fachkräftemangel: Um die heimische Wirtschaft aus der Krise zu bringen, fordert der Chef der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, mehrere Maßnahmen. Diese seien auf nationaler und EU-Ebene umgehend umzusetzen.

ÖSTERREICH. Eine "handfeste Rezession" sei in Österreich im Gange, stellt Georg Knill, der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), bei der ORF-Pressestunde fest. Dabei handle es sich aber keinesfalls um eine „milde Rezession”, wie immer wieder behauptet. Laut Knill sei es der stärkste realwirtschaftliche Rückgang, den Österreich seit 1951 erlebt hat.

Dies gefährde den Wohlstand in Österreich, ist sich der IV-Präsident sicher. Denn sei die Industrie wesentliches Fundament für wirtschaftlichen Erfolg sowie der Garant für sichere, attraktive Arbeitsplätze.

Die österreichische Industrie befindet sich laut IV-Präsident Georg Knill in einer "handfesten Rezession”. | Foto: Steve Haider
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Heimische Industrie verlagert sich ins Ausland

“Wenn wir die Industrie aufs Spiel setzen, indem wir dem Standort schaden, wird das für uns alle Auswirkungen haben”, stellt Knill fest. Die heimische Industrie würde sich bereits ins Ausland verlagern, was ein “Symptom einer schleichenden Entwicklung auf nationaler wie europäischer Ebene" sei.

"Seien es bürokratische Auflagen und Pflichten, hohe KV-Abschlüsse, hohe Energiepreise oder Versäumnisse im Infrastrukturausbau – auf den ersten Blick und bei einzelner Betrachtung sind die Herausforderungen schaffbar", erläutert der IV-Präsident. In Summe sei das Fass aber am Überlaufen. "Die heimischen Unternehmen tragen den Rucksack mit nationalen wie inneuropäischen Belastungsbrocken im globalen Wettlauf ständig mit und müssen damit dieselben Leistungen bringen, das wird zunehmend schwerer”, sagt Knill.

“Wenn wir die Industrie aufs Spiel setzen, indem wir dem Standort schaden, wird das für uns alle Auswirkungen haben”, mahnt IV-Präsident Knill. | Foto: EVA MANHART / APA / picturedesk.com
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Dabei seien die diesjährigen hohen Lohnabschlüsse ein „wirtschaftlich teilweise schmerzhafter Kompromiss“, welchen die Industrie in Kauf nehme. Doch würden die hohen Lohnabschlüsse internationale Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen. Heimische Unternehmen würde laut dem IV-Präsident "zunehmend durch Kollektivvertragsverhandlungen im geschützten Bereich – wie Beamte oder Pensionisten – unter Druck gesetzt". Dies sei aber „eine falsche Entwicklung." Denn besonders im internationalen Wettbewerb seien hohe Lohnkosten fordernd. Schließlich würden 
die Mitbewerber nicht um die Ecke sitze, sondern in China, Indien oder Südamerika.

"Klares Bekenntnis zum Industriestandort" 

Um die wirtschaftliche Situation in Österreich zu verbessern, brauche es laut Knill mehrere Maßnahmen. Nötig sei eine fokussierte Wirtschaftspolitik mit einem klaren Bekenntnis zum Industriestandort:

  • strategische Reduktion der Steuern- und Abgabenquote (derzeit mit 43,2 Prozent die vierthöchste in der EU)
  • spürbare Senkung der Lohnnebenkosten
  • rascher Infrastrukturausbau durch eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren
  •  Ausweitung der Strompreiskompensation (SAG)
  • gezielte Fachkräftestrategie, um gezielt Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland anzusprechen und Leistungsanreize im Inland zu heben
Es brauche eine gezielte Fachkräftestrategie, um etwa gezielt Arbeits- und Fachkräfte aus dem Ausland anzusprechen. | Foto: Anamul Rezwan/Unsplash
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Die Arbeitszeitreduktion bei vollem Lohnausgleich gesetzlich zu verankern, sei laut dem IV-Präsidenten kontraproduktiv. Dies übe zusätzlichen Druck auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. Dadurch würden die bereits hohen Lohnkosten in Österreich weiter gesteigert sowie die Produktion im internationalen Vergleich weiter verteuert. Doch müsste man die Arbeitskosten senken.

Um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs ist es laut Knill bereits jetzt nicht gut bestellt, was internationale Rankings zeigen würden. Welche Auswirkungen das auf Investitionen heimischer Unternehmen hat, würde man aktuell schon in den Direktinvestitionen, welche die Nationalbank ausweist, sehen. Demnach verlagern international aufgestellte Unternehmen bereits ihre Investitionen. Für den IV-Präsidenten sei dies Alarmsignal genug: Es seien dringend jetzt Maßnahmen nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

EU zum Handeln aufgefordert

Geht es nach Knill, braucht es "kluge Wirtschaftspolitik" auf nationaler sowie EU-Ebene. "Es ist traurig genug, feststellen zu müssen, dass die Industriepolitik der EU weiterhin im Tiefschlaf wäre, hätte die USA nicht mit dem Inflation Reduction Act Druck gemacht. Danke an die USA."

Für einen echten industriepolitischen Wandel brauche es aber mehr, so  der IV-Präsident: "Die nächste EU-Kommission muss das Thema der Investitionsbedingungen in Europa umfassender angehen und insbesondere eine regulatorische Überdehnung vermeiden”. Schließlich habe man der Wirtschaft alleine in der aktuellen EU-Legislaturperiode von 2019 bis 2023 ganze 850 neue Verpflichtungen auferlegt. Dies entspreche mehr als 5.000 Seiten an Rechtsvorschriften.

Von der EU-Kommission fordert IV-Präsident Georg Knill, weniger Regeln bzw. Verpflichtungen. | Foto: Jai79/Pixabay
  • Von der EU-Kommission fordert IV-Präsident Georg Knill, weniger Regeln bzw. Verpflichtungen.
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Eine weitere Forderung Knills sind neue Handelspartnerschaften. "Es war immer die Öffnung zu anderen Weltregionen und die Beseitigung von Handelsbarrieren, die in Europa starken wirtschaftlichen Aufschwung gebracht hat." Aufgrund der aktuellen Herausforderungen in der europäischen Nachbarschaft sollte die Beziehung zu dynamischen Wirtschaftsräumen gestärkt werden.

Ein positives Signal sei das kürzlich abgeschlossene Abkommen mit Neuseeland, welches 2024 in Kraft treten soll. Wichtig wäre es weiters, die lange verhandelte Partnerschaft mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern, also Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, zu fixieren. Hier würden sich "geostrategische Chancen" für beide Seiten ergeben. “Wer heute laut Nein schreit, darf sich morgen nicht wundern, wenn Europa weiter an Bedeutung und internationalem Anschluss verliert”, unterstreicht Knill.

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