Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber über Wasserkraft, gegen Atomstrom und über die Energiewende

"Würde Kostenwahrheit herrschen, würde niemand ein AKW bauen", sagt Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber. | Foto: Andreas Edler
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Zuletzt hat der Verbund so ziemlich alles abgestoßen oder verkauft, was nicht Wasserkraft ist. Im Interview mit Online-Redakteurin Sabine Miesgang und RMA-Chefredakteur Wolfgang Unterhuber erklärt CEO Wolfgang Anzengruber das so: „Wir wollen zu 100 Prozent CO2-frei werden.“ Anzengruber spricht sich zudem vehement gegen den Ausbau der Atomkraft in Europa, speziell in Tschechien, aus. Er fordert aber auch einmal mehr einen Subventions-Stopp für alternative wie alle anderen etablierten Energien. „Weil sie den Markt verzerren“.

Was sagen Sie zum Ausbau der Atomkraft in Tschechien?
Ich bin dagegen. Die Atomkraft wird leider massiv gefördert. Würde Kostenwahrheit herrschen, würde niemand ein Atomkraftwerk bauen. Aber Kosten, wie die Endlagerung zum Beispiel, brauchen die Atomstrom-Konzerne ja nicht zu tragen. Das ist ein großes Problem. Ohne Subventionierung wären alternative Energien wirtschaftlicher.

Hilft eine Klage Österreichs beim Europäischen Gerichtshof wie das der Umweltminister plant?
Wenn man das Thema über die Subventionen für die Atomkraft spielt, sehe ich Chancen. Weil die Subventionen den Markt verzerren. Nur zu sagen „Wir sind dagegen“, reicht sicher nicht. Denn jedes Land der Europäischen Union darf seinen Energiemix selbst bestimmen.

Müsste man das nicht ändern?
Ich bin durchaus dafür, dass Brüssel hier mehr Kompetenzen bekommt.

Wie finden Sie die Energiewende?
Gut. Weil wir so weg vom CO2 kommen. Die De-Carbonisierung wie wir sagen ist ein unbedingtes Ziel. Der Weg dorthin könnte aber besser sein.

Inwiefern?
Man hat alternative Energie-Anlagen dorthin gebaut, wo es viele Förderungen dafür gab. Die Synchronisation zwischen Erzeugung, Netz und Nachfrage ging dabei verloren.

Soll man die Förderungen für Erneuerbare Energie also abdrehen?
Ja. Förderungen – egal für welche etablierte Energieform - verzerren den Markt, wie wir aus der Landwirtschaft wissen. Und die Kunden zahlen es. Förderungen nur in Forschung und Entwicklung für neue Technologien.

Was wäre, wenn alle Einfamilienhausbesitzer mit Solarkollektoren am Dach ihren eigenen Strom erzeugen würden?
Das wäre gerade in ländlichen Regionen ein sinnvoller Beitrag zur Stromerzeugung. Aber natürlich nur in bestimmten Rahmen. Die Photovoltaik macht derzeit zwei, drei Prozent aus.

Ist es nicht paradox, dass es in Europa durch die Energiewende temporäre Stromüberschüsse gibt und wir den Strom gar nicht effizient weiterleiten können?
Das ist aus der Entwicklung heraus aber logisch. Denn früher hat man ein Kraftwerk dort hingebaut, wo der Strom verbraucht wurde. Deshalb stehen Atomkraftwerke auch oft in der Nähe großer Städte oder Industriezentren. So war auch der Leitungsweg kurz. Jetzt findet die Stromerzeugung über Windanalagen dort statt, wo er nicht gebraucht wird. Für den Transport benötigt man lange zusätzliche Stromleitungen. Die Energiewende treibt also die Investitionen in die Leitungsnetze.

Apropos: Wie gut in Schuss ist unser Hochspannungsnetz?
Unser Höchstspannungsnetz, also die 380- und 220 KV-Leitungen, sind gut in Schuss. Und damit das so bleibt, müssen wir in die Leistungsfähigkeit investieren.

Der Verbund-Konzern investiert bis 2017 rund 870 Millionen Euro in die Stromversorgung. Wie viel davon fließt in das Netz?
Rund die Hälfte. Aber es wird nicht nur in Leitungen investiert sondern auch in Netzinfrastruktur wie Umspannwerke und Transformatoren.

In welchen Regionen wird das Netz verbessert?
Generell wird flächendeckend verbessert. Ein Schwerpunkt ist aber natürlich die Salzburg-Leitung, die von Kaprun in die Stadt Salzburg führt. Damit soll der 380-KV-Ring vom Donauraum über Ost- und Südösterreich geschlossen werden.

Können Sie Stromausfälle in Österreich ausschließen?
Nein.

Warum nicht?
Weil wir in Europa enorme Stromproduktionsschwankungen haben. Die großen Windkraftanlagen in Nordeuropa erzeugen den Strom eben dann, wenn der Wind weht, und nicht, wenn er gebraucht wird. Dieser Strom fließt dann dorthin, wo gerade Platz im Netz ist. Also über Ostdeutschland und Tschechien nach Österreich und von da nach Bayern. Das belastet unsere Netze und kann zu den berühmten Blackouts führen.

Wie verhindert man das?
Durch eine ständige raffinierte technische Steuerung des Stromflusses.

In Österreich kostet der Ausbau der Netze bis 2020 knapp insgesamt neun Milliarden Euro. Das zahlen wir, die Konsumenten – richtig?
Richtig. Aber sie haben auch viel davon. Wir bringen so den alternativen Strom ins Netz und ersparen uns langfristig viel an Energieimporten.

Wird der Strom für uns Konsumenten also teurer?
Die Netzgebühren in Österreich werden wohl steigen. Aber: 30 Prozent der Stromrechnung machen bereits Steuern und Abgaben aus. Und die haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Die Stromerzeugung selbst ist so billig wie in den USA. In den kommenden Jahren könnte der Strompreis für die Konsumenten also nahezu gleichbleiben. Wenn Steuern und Abgaben und die Umlagen für den Ökostrom nicht steigen

Sie setzen voll auf Wasserkraft. Warum?
Wir wollen 100 Prozent CO2-frei werden. Derzeit sind wir bei 95 Prozent. 65 Prozent unserer gesamten Stromerzeugung in Österreich basieren schon auf Wasserkraft. Das Wasser müssen wir auch nicht importieren. Und es verursacht keine Schadstoffe und ist ganz ohne Förderungen wirtschaftlich.

Und was passiert, wenn durch den Klimawandel die Gletscher schmelzen?
Was wir sehen, ist eine Verflachung des Wasserangebots über das ganze Jahr. Die Winter sind zwar schneeärmer geworden, die Niederschläge in Summe aber nicht gesunken. Das sehen wir anhand unserer Wasserführungsstatistiken, die über 40 Jahre zurückreichen. Wir erwarten also für den Alpenraum keine langfristigen Gesamtveränderungen.

Der Verbund hat in Bayern momentan über 20 Laufkraftwerke. Wie sieht es mit weiteren Wasserkraft-Zukäufen in Deutschland aus?
Leider verkauft derzeit niemand Wasserkraftwerke. Würden welche im Umkreis von 1000 Kilometern auf den Markt kommen, würden wir uns das anschauen.

Wie geht es mit der Brückentechnologie Gas weiter?
Von der Logik her wäre Gas ideal für die Energiewende. Die CO2-Emission ist um die Hälfte geringer als bei Kohle. Und Gas-Kraftwerke sind schnell, sie können rasch die volatile Erzeugung durch Wind- und Sonnenkraft ausgleichen. Der Nachteil ist: Wir müssen Gas importieren. Und derzeit ist Gas einfach zu teuer, um daraus wirtschaftlich Strom zu erzeugen.

Warum wirbt der Verbund so massiv um Privatkunden?
Bis zur Liberalisierung vor etwa 15 Jahren durfte der Verbund ja nur Strom erzeugen und transportieren. Wir hatten also keine Privatkundenunden. Das war ein historischer Nachteil. Aber für mich ist klar: Wir wollen direkt zum Kunden. Im Industriebereich haben wir schon 20 Prozent Marktanteil. Bei den Privatkunden liegen wir bei sieben Prozent. Unser Ziel ist auch da der zweistellige Bereich.

Die Konsumenten sollten wegen der „Zuckerl“, mehrere Monate Gratisstrom, Einstiegsprämien, ja jährlich den Anbieter wechseln. Wie wollen Sie das verhindern?
Indem wir einen Nutzen anbieten, der über den Strompreis hinausgeht, indem wir zum Beispiel für unsere Kunden auch deren Photovoltaikanlagen managen oder andere Energiedienstleistungen anbieten.

Anfangs waren die Mitbewerber nicht so begeistert, dass der Verbund plötzlich ihre Kunden abwirbt. Wie ist das heute?
Es ist ein gewisser Gewöhnungseffekt eingetreten.

Nach weniger Umsatz und Gewinn im Vorjahr ging es zuletzt wieder leicht bergauf. Wie zufrieden sind Sie mit der Aktie?
Der Kurs ist zu tief. Leider.

Mit dem seit zwei Jahren laufenden Sparpaket werden bis Jahresende kumuliert mehr als 165 Millionen Euro eingespart. War es das dann mit dem Sparen?
Sparen hat immer Saison. Die großen Spar-Programme sind aber mit Jahresende einmal abgeschlossen.

Wie sieht Ihre Zukunftsprognose aus?
Ich mache mir um Verbund überhaupt keine Sorgen. Trotz der Energiewende und allem. Wir backen kleinere Brötchen, stimmt. Aber: Verbund hat nie Verluste geschrieben und wird auch in Zukunft keine Verluste schreiben.

Danke für das Gespräch.

Fotos: Andreas Edler

Hier erfahren Sie, wo Wolfgang Anzengruber am liebsten Kaffee trinkt und Zeitung liest.

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