Bezirkskammer Deutschlandsberg
Artenreichtum für mehr Klimafitness unserer Wälder

Mario Matzer, Forstreferent bei der Landwirtschaftskammer (l.) und Gerhard Hainzl GF des Waldbauverbandes Deutschlandsberg sind überzeugt von der gesunden Vielfalt an Laub und Nadelbäumen. | Foto: Susanne Veronik
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  • Mario Matzer, Forstreferent bei der Landwirtschaftskammer (l.) und Gerhard Hainzl GF des Waldbauverbandes Deutschlandsberg sind überzeugt von der gesunden Vielfalt an Laub und Nadelbäumen.
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Die Steiermark ist mit einer bewaldeten Fläche von über einer Million Hektar das waldreichste Bundesland Österreichs, das entspricht 61,4 Prozent. Doch der Klimawandel wirkt sich bereits auf unsere Wälder und deren Gesundheit aus - ein Gespräch über die Zukunft klimafitter Mischwälder mit Forstreferent Mario Matzer und Gerhard Hainzl, zugleich Geschäftsführer des Waldbauverbandes Deutschlandsberg. 

DEUTSCHLANDSBERG. Wir erinnern uns an die geradezu historische Trockenheit in den ersten vier Monaten des heurigen Jahres. Wiesen und Wälder sind die ersten Bereiche, an denen sich diese vielfach durch die Klimaerwärmung bedingten Trockenperioden auswirken.

MeinBezirk.at hat sich zu diesem Thema mit Mario Matzer, Forstreferent bei den Bezirkskammern Deutschlandsberg, Graz Umgebung und Voitsberg, sowie Gerhard Hainzl, Forstwart in der Bezirkskammer Deutschlandsberg und Geschäftsführer des Waldbauverbandes Deutschlandsberg getroffen.

Große Vielfalt im Bezirk

"Mein Dienstgebiet reicht vom Hochgebirge bis zum Hügel- und Terassenland mit unterschiedlichen Wuchsbedingungen und somit auch großen Unterschieden bei der Nährstoffversorgung", erklärt Mario Matzer zu seinem Einsatzbreich.

Ein gesunder Wald für ökologische Strukturen | Foto: Günther Koch
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Was ist die Besonderheit in unserer Region? "Gerade der Bezirk Deutschlandsberg wird als vielfältiger Bezirk gepriesen. Das reicht von Tallagen über das Weinanbaugebiet bis hin zu Almen und dem Großen Speik auf 2.144 Metern Seehöhe als höchster Punkt. So vielfältig ist auch die Waldlandschaft geprägt durch Silikat-Kulturgestein. Es gibt somit allein im Bezirk Deutschlandsberg sämtliche Höhenstufen von den Waldgesellschaften her, also von der Ebene bis fast an die Waldgrenze.
So unterschiedlich ist auch das Beratungsgebiet für uns, wobei die wirtschaftliche Wichtigkeit des Waldes mit der Höhe gewinnt", betont Hainzl. 

Besonderes Kleinklima um die Koralm

Im Einflussbereich der Koralm gibt es einerseits fruchtbare Böden mit sehr produktiven Wäldern bei höheren Niederschlagsmengen.
In Richtung Flach- und Hügelland werden die Niederschlagsmengen schon wieder  deutlich weniger.

Ist der Klimawandel bereits spürbar bei uns? "Auf jeden Fall", ist Hainzl überzeugt und erklärt: "Vor allem jene Perioden ohne nennenswerte Niederschlagsmengen setzen dem Wachstum vieler Bäume arg zu, so wie in der heuer extrem langen Trockenperiode von Jänner bis April. Speziell Flachwurzler ,wie die bei uns als 'Brotbaum' stark verbreitete Fichte, geraten vermehrt unter Druck, Stichwort Trockenstress. Somit haben Schädlinge wie der Borkenkäfer leichtes Spiel."

In der Folge müssen alle schadhaften Bäume möglichst rasch entnommen werden, um mit entsprechender Waldhygiene den Schaden möglichst einzudämmen.
Pilzkrankheiten wie Eschentriebsterben oder Kastanienrindenkrebs machen dafür den Laubbaumarten zu schaffen. 

Von der Monokultur zum Mischwald

Matzer erkennt bereits ein Umdenken unter den Waldbesitzern: "Auch wenn die Fichte nach wie vor bei uns am meisten verbreitet ist, so bemerken wir ein Umdenken bei den Waldbesitzern in Richtung Mischwald. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Tanne und der Eiche zu. Gerade in tieferen Lagen werden Buche und andere Laubbaumarten als klimafitte Baumarten immer dominanter."

Artenreiche Mischwälder sind die Zukunft für mehr Klimafitness. | Foto: Susanne Veronik
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Allein die Buche ist nicht nur ein gutes Brennholz sondern vor allem als Sägeholz für den Wohn-Innenbereich, Parkett, Möbel, Eisenbahnschwellen, als Faserholz für die Zellstofferzeugung u.a. eines der besonders vielseitig einsetzbaren Gehölze. Von heimischen Nadelbaumarten sind Kiefer und Tanne mit ihrem in die Tiefe reichenden Wurzelsystem bei Trockenheit widerstandsfähiger als eben die Fichte als Flachwurzerler, die jetzt schon vielfach Probleme hat.

Hainzl: "Wir bemerken bereits eine Neuorientierung im Rahmen der Forstpflanzenaktion, die über den Waldverband im Frühjahr und im Herbst zur Aufforstung angeboten wird. Während früher fast zu 95% die Fichte angefordert worden ist, geht die Tendenz schon bis zu einem Drittel hin zu Mischbaumarten, die insgesamt resistenter gegen Trockenheit und Schädlinge sind."  Matzer betont: "Die Bewusstseinsbildung von Seiten der Landwirtschaftskammer geht in Richtung klimafitte, stabile und  standortgetreue Mischwälder je nach strukturellen Gegebenheiten.

Dynamische Waldtypisierung Steiermark

Dazu hat man jetzt mit der Waldtypisierung gute Voraussetzungen geschaffen. Um die heimischen Wälder langfristig gegen den Klimawandel abzusichern, hat das Land Steiermark die europaweit einzigartige „Dynamische Waldtypisierung“ durchgeführt.

"Das ist ein wirklich effizientes Instrument zur Standortbestimmung für eine effiziente Bepflanzung", ist Matzer überzeugt von diesem Novum. Über eine GIS-Applikation kann die jeweilige Situation inklusive der individuellen Risikofaktoren für diverse Baumarten auf einen bestimmten Standort heruntergebrochen werden.

So schaut es es:  Standorttypisierung auf waldbauberater.at | Foto: Screenshot waldbauberater.at/Lebensressort Land Steiermark
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Hainzl erklärt: "Hinterlegt sind zwei Klimaszenarien, einmal das gemäßigte Szenario, sprich wenn wir als Gesellschaft die Klimaziele wirklich erreichen, und das zweite als Worst Case-Szenario, wenn sich nichts zur Verminderung des CO2-Ausstoßes verändert." In Ampelfarben kann man einsehen, welche Baumarten an einem bestimmten Standort weniger oder auch bessere Voraussetzungen für einen Fortbestand aufweisen, also ein praktischer Leitfaden für die kommenden Generationen

waldbauberater.at

Mit dem Abschluss des Projektes „Dynamische Waldtypisierung Steiermark“ kombiniert die Steiermark ihre Vorreiterrollen in Forst und Forschung. Das innovative Webtool, das unter www.waldbauberater.at kostenlos zur Verfügung steht, liefert Empfehlungen für eine nachhaltige und an den Klimawandel angepasste und standortspezifische Waldbewirtschaftung. Durch die Kombination von Standortdaten und Klimawandelprognosen unterstützt das Webtool bei der Wahl der richtigen Baumart.

„Im Garten kann man jedes Jahr aufs Neue entscheiden, welches Gemüse gepflanzt wird. Ein Baum wächst aber über viele Jahrzehnte und in diesen langen Zeiträumen verändert sich auch das Klima. Das Webtool liefert den Waldbesitzern einen Blick in die Zukunft, damit sie jene Baumarten pflanzen können, die nicht nur heute, sondern auch in vielen Jahrzehnten noch gut gedeihen. So machen wir unseren Wald klimafit. Mit dem Waldbauberatertool bleibt die Steiermark auch für die nächsten Generationen das grüne Herz Österreichs.“
Landesrat Johann Seitinger, Lebensressort Land Steiermark

Wissenschaftliche Vorarbeiten seit 2018

Seit 2018 arbeiten zwölf wissenschaftliche Institutionen gemeinsam mit privaten Unternehmen mit über 100 Wissenschaftlern an der Erhebung und Aufbereitung verschiedenster ökologischer Datensätze der steirischen Wälder. Diese Daten sind die Grundlage für die Erstellung von Prognosen und Handlungsempfehlungen für eine zukunftsorientierte und klimafitte Waldbewirtschaftung. 

Mario Matzer, Forstreferent bei der Landwirtschaftskammer (l.) und Gerhard Hainzl GF des Waldbauverbandes Deutschlandsberg sind überzeugt von der gesunden Vielfalt an Laub und Nadelbäumen. | Foto: Susanne Veronik
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Zentrale Elemente sind dabei der Wasser-, Wärme- und Nährstoffhaushalt als Basis für die Charakterisierung des Waldstandortes. Diese wurden systematisch erfasst und mit den Klimawandel-Szenarien für die nächsten 80 Jahre verknüpft. Dies entspricht einer vollen Waldgeneration. 

Zur dynamischen Waldtypisierung

Die "dynamische Waldtypisierung" bietet eine detaillierte, praxisnahe Beschreibung und Kartierung der Waldtypen unter aktuellem und zukünftigem Klima in anwendungsfreundlicher Form und ausreichender Genauigkeit. Dabei werden sowohl für die aktuellen als auch für die zukünftigen Bedingungen Behandlungskonzepte erstellt.

Da nicht sichergestellt werden kann, dass heimische Baumarten auch unter künftigen klimatischen Bedingungen noch auf allen Standorten wachsen können, werden auch nicht heimische Baumarten in dieses Konzept einbezogen.

Damit soll eine langfristig vorausschauende Planung ermöglicht werden, welche Veränderungen durch die Auswirkungen des Klimawandels bei der Baumartenwahl berücksichtigt und Risiken abfedern helfen soll. Die Grundlagendaten wurden für den gesamten steirischen Wald auf 10x10 Metern gerechnet und anschließend auf 30x30 Meter große Flächen kategorisiert, sodass Prognosen mit größtmöglicher Genauigkeit erstellt werden können.

Was kann der Einzelne tun?

Emissionen von CO2 möglichst minimieren, da kann jeder bei sich selbst beginnen.
Wälder sind zu bewirtschaften, daher heimisches Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung bevorzugen statt von weit her importiertes Tropenholz mit einem riesigen ökologischen Fußabdruck. 

Die heimischen Wälder tragen als CO2-Speicher nicht nur entscheidend zum Klimaschutz bei, sondern sind auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber.

Eine zielgerichtete Ernte bei entsprechender Aufforstung ist unabdingbar für einen gesunden Wald über mehrere Generationen. | Foto: ÖBf/F. Helmrich
  • Eine zielgerichtete Ernte bei entsprechender Aufforstung ist unabdingbar für einen gesunden Wald über mehrere Generationen.
  • Foto: ÖBf/F. Helmrich
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"Bauen mit Holz bindet nicht nur den Kohlenstoff im Holz sondern hält auch unsere Wälder durch die nachweislich nachhaltige Bewirtschaftung gesund. Bei uns gibt es keinen Raubbau. Somit stärkt die Verarbeitung von heimischem Holz auch unsere Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze."
Mario Matzer, Forstreferent bei den Bezirkskammern Deutschlandsberg, Graz Umgebung und Voitsberg 

Nicht umsonst stammt der Begriff "Nachhaltigkeit ursprünglich aus der Forstwirtschaft wie Gerhard Hainzl erklärt: "Gerade dieser Nachhaltigkeitsgedanke, also die bewusste Entnahme von Bäumen bei gleichzeitiger Aufforstung für einen gesunden Waldbestand, war uns ist bei bäuerlichen Betriebsstrukturen immer schon gegeben, eben für ein bewusstes Denken in Generationen."

Zahlen, Daten, Fakten

Steirische Waldwirtschaft

  • Über eine Million Hektar bewaldete Fläche
  • Jährlich wachsen in der Steiermark rund 8 Mio. Kubikmeter Holz nach. Davon wird nur rund die Hälfte genutzt.
  • 55.000 steirische Arbeitsplätze entlang der Wertschöpfungskette
  • Der Wald ist ein wesentlicher Faktor für den Klimaschutz, denn ein Kubikmeter Holz bindet eine Tonne CO2.
  • max. 400m – 800m das ist die Höhe um die sich die Baumgrenze in den nächsten Jahrzehnten nach oben verschieben wird.


Dynamische Waldtypisierung:

  • über 2900 Aufnahmepunkte zu Geologie und Substrat im Gelände und 240 Proben im Labor analysiert
  • 1800 Probepunkte zu Vegetation und Standort erhoben, davon 400 Punkte intensiv mit Bodenproben in mehreren Tiefenstufen beprobt und im Labor analysiert
  • an über 3100 Bäumen das Baumwachstum ausgewertet
  • mehr als 500 Personenmonate in das Projekt an Zeit eingesetzt
  • 116 Standortseinheiten ausgeschieden
  • für 18 Baumarten die Eignung flächig modelliert
  • 6,4 Mio. Euro beträgt das Budget des Projekts Dynamische Waldtypisierung, das auch von der EU gefördert wird.

Quelle. Lebensressort Steiermark

Setzt du beim Wohnen auf heimisches Holz?

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