25 Jahre Abschied aus der Gruabn
Ein schwarzer Tag am Jakominigürtel
Vor 25 Jahren, vier Tage nachdem die Mannschaft des Sportklubs Sturm das ÖFB-Cupfinale 1997 im Wiener Ernst-Happel-Stadion gegen den First Vienna FC mit 2:1 für sich entschied, kam es in der Gruabn zu einem bis heute unvergessenen Meilenstein in der schwarz-weißen Vereinsgeschichte.
GRAZ/JAKOMINI. Wenn Sturm auf Rapid trifft, sind seit jeher große Emotionen im Spiel. Dennoch löste Ivo Vastics Elfmetertor in der 66. Spielminute am letzten Maitag des Jahres 1997 ein einmaliges Gefühlschaos aus. Nicht nur der damalige Teamtorhüter und Wiener Schlussmann Michi Konsel schaute bedrückt drein, als er an diesem Samstag bereits das dritte Mal hinter sich greifen musste, während gegenüber Kazimierz Sidorczuk eine weiße Weste behielt. Die gesamte schwarze Anhängerschaft, Funktionäre und Spieler schwankten zwischen Freude und Wehmut, ob des Treffers des 27-jährigen Stürmers aus Split, der vor 10.000 Zuschauern der letzte in einem Bundesligaspiel am Platz am Jakominigürtel bleiben sollte.
"Es war eine eigenartige Stimmung, sehr sentimental", erzählt Sturm-Chronist Herbert Troger, der vor 25 Jahren beim Abschiedsspiel aus der Gruabn dabei war. "Auf der einen Seite haben wir uns schon gefreut, dass Graz in Liebenau endlich ein modernes Stadion bekommt – wir haben ja gewusst, dass der damalige Sturmplatz ein Anachronismus war. Auf der anderen Seite haben wir viele schöne Erinnerungen mit der Gruabn verbunden, bis heute."
Unvergessen blieben ihm die Szenen nach dem Abpfiff: "Die Fans haben das Feld gestürmt, wollten und haben zum Teil Rasenziegel herausgeschnitten. Einige Ordner und Funktionär Gert Pölderl haben verzweifelt versucht, sie davon abzuhalten – der Platz sollte ja weiterhin genutzt werden." Wie es dann auch war, weiß Troger: "Die Erste hat dort trainiert und die Amateure und Jugend haben in der Gruabn bis zur Saison 2004/05 ihre Heimspiele gehabt, bis Hannes Kartnig aus der Finanzkrise des Vereins heraus den Platz verkauft hat."
Für die "Sturm-Familie" war das Kapitel Gruabn damit aber längst nicht abgeschlossen. Um die damals einsturzgefährdete Holztribüne zu retten, taten sich 2016 zahlreiche Anhänger der Blackiess zusammen und sammelten über 50.000 Euro. Seit 2021 sind die Zuschauerränge auf der Westseite des Platzes, wo seit 2005 der Grazer Sportklub Straßenbahn sein Zuhause hat, denkmalgeschützt.
Kaltes Wasser, wilde Mäuse, giftige Küche
Legendär aber nicht mehr vorhanden ist auch das in den 1920er-Jahren als Barackenbau errichtete Klubhaus, in der es nur einen gemeinsamen Duschraum für Heimmannschaft, Gäste und Schiedsrichter – mit begrenztem Warmwasser – gab. Ebenso die Gmeindl-Kantine, wo lange vor Social Media nicht immer freundliche Meinungsmache stattfand und die deshalb den liebevollen Beinamen "Giftküche" erhielt.
"Bei Sitzungen haben die Leute zum Präsidium rüber geschimpft. Es war alles so eng beisammen", erinnert sich Herbert Troger und meint damit sowohl die räumlichen als auch die zwischenmenschlichen Verhältnisse bei den "Schwoazn". "Wenn trainiert worden ist, waren immer Fans in einem eigens reservierten Bereich vor dem Klubhaus dabei. Jeder, der wollte, hatte Zugang zu den Profis und konnte mit ihnen ins Gespräch kommen. In den Sechzigerjahren sind die Spieler während des Trainings manchmal sogar über den Zaun zur Messe gestiegen und sind eine Runde mit der Wilden Maus (Achterbahn, Anm.) gefahren", so der Mitherausgeber des Buches "Mythos Gruabn".
In Erinnerung geblieben ist vielen Grazern auch das dichte Gedränge an den Fenstern des Studentenheims, das hinter dem nördlichen Torraum gelegen einen wunderbaren Blick auf den Sturmplatz bot – obwohl man vonseiten des Klubs mit Vereinbarungen dafür sorgen wollte, dass der Zugang zum Gebäude zumindest während Heimspielen restriktiver gehandhabt wird. Wie der Versuch, Schaulustige vom angrenzenden Messegelände fernzuhalten, oftmals vergeblich.
"Heute nicht mehr denkbar"
Ein nicht immer zuverlässiges Flutlicht gab es schließlich ab 1995, nachdem die Anlage vom abgerissenen Bundesstadion Liebenau übernommen wurde. Abenteuerlich blieben bis zum Schluss die Eckbälle auf der Seite des Hafnerriegels, für die der Schütze über eine Böschung Anlauf nehmen musste – je nach Mannschaftszugehörigkeit, angepeitscht oder beschimpft vom Publikum. Bestand die Unterstützung jahrzehntelang aus spontanen Gesängen und Schmähungen der Kontrahenten sowie einzelnen Transparenten und Fahnen, hielt Mitte der Neunziger mit der Gründung von Fanklubs wie Brigata und Jewels eine organisierte Fanszene Einzug in Jakomini. Deren Ausmaße mit den heutigen auf der Liebenauer Nordtribüne allerdings noch nicht zu vergleichen waren.
Große Freude hatten Gästeteams dennoch selten mit dem Stadion nebst des Grazer Messegeländes, da Fans von ihren Plätzen fast unmittelbar ins Spielfeld greifen konnten. Herbert Troger: "Aus heutiger Sicht ist das undenkbar, der Spielerabgang mitten durch die Zuschauer. Die Linienrichter wurden regelmäßig mit Bier geduscht. Aber nicht nur die – der damalige Polizeigeneral Goldberg hat seine Beamten angewiesen, dass sie bei Heimspielen von Sturm Regenmäntel anziehen sollen." Trotz alledem fanden mit den Partien gegen Slavia Prag 1995 (0:1) und gegen Sparta Prag 1996 (2:2) sogar zwei Europacupspiele am Jakominigürtel statt.
Am 9. Juli 1997 kam es schließlich zum Eröffnungsspiel in der neuen Heimstätte, dem Arnold-Schwarzenegger-Stadion, das sich Sturm zur Missgunst mancher mit dem roten Lokalrivalen teilte. Einen Meistertitel in Zeiten der Gruabn gab es bei den Blackies nicht. Auf diesen mussten Verein und Anhänger nach dem Weggang vom legendären Sturmplatz ein Jahr warten.
31. Mai 1997: Sturm Graz – Rapid Wien (3:0)
Ort: Sturm-Platz Gruabn, Graz
Zuschauer: 10.000
Schiedsrichter: Manfred Schüttengruber
1:0 Gilbert Prilasnig 39.
2:0 Roman Mählich 64.
3:0 Ivica Vastić 66. Elfmeter
SK Sturm Graz
1 Kazimierz Sidorczuk
2 Marek Świerczewski 70'
3 Günther Neukirchner
4 Darko Milanič 45'
19 Martin Hiden
Jens Dowe 69'
4 Michael Gruber
6 Roman Mählich
9 Hannes Reinmayr
12 Gilbert Prilasnig
10 Ivica Vastić
Reservespieler
3 Enzo Gambaro 70'
5 Mario Posch 46'
7 Mario Haas 69'
Trainer
Ivica Osim
Co Rupert Marko
SK Rapid Wien
1 Michael Konsel
2 Patrick Jovanovic
5 Peter Schöttel
15 Andrzej Lesiak
16 Krzysztof Ratajczyk
3 Peter Guggi
6 Peter Stöger
11 Christian Prosenik
14 Roman Pivarník 58'
7 Christian Stumpf 79'
9 Marek Penksa 80'
Reservespieler
Fritz Breitenfelder 80'
12 Oliver Lederer 58'
Martin Pfeifer 79'
Trainer
Ernst Dokupil
Historisches über die Heimstätte des Lokalrivalen:
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