Schulpsychologe Josef Zollneritsch meint: Ein späterer Schulbeginn kann sinnvoll sein!

Schulpsychologe Josef Zollneritsch ist für eine Diskussion über den Unterrichtsbeginn offen. | Foto: Foto Fischer
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Der Unterricht startet in Graz oftmals bereits um 7.30 Uhr. Für viele Schüler ist das zu früh. Der Landesschulsprecher für die Allgemeinbildenden Höheren Schulen, Thaddäus Görger, regte daher in der vergangenen Woche an, über einen späteren Unterrichtsbeginn zu diskutieren. Er verwies dabei auf viele internationale Studien, die eine bessere Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit der Schüler später am Tag belegen.
Nun bekommt Görger Rückendeckung vom Landesschulrat: Der Leiter der Abteilung für Schulpsychologie, Josef Zollneritsch, befürwortet diesen Gedanken, will jedoch noch weiter ausholen.

Beste Aufnahme ab neun

"Diese Diskussion flammt immer wieder auf", leitet Zollneritsch ein. Es sei aber eine österreichische Tradition, so früh zu beginnen. Oft werde dies durch die Berufstätigkeit der Eltern oder die Fahrten des Schulbusses begründet.
"Aus lernpsychologischer Sicht würde es aber Sinn machen, später mit der Schule zu beginnen. Es gibt Aufmerksamkeitskurven und es ist bewiesen, dass die beste Aufnahme zwischen neun und zwölf Uhr erfolgt", erklärt der Experte. Auch er schließt sich der Meinung Görgers an, dass die erste Stunde oft für Lehrer und Schüler schwierig sei.
"Es fällt natürlich in Schulsystemen leichter, die eine Ganztagesschule haben", erörtert der Schulpsychologe die Situation in skandinavischen Ländern sowie in Belgien und den Niederlanden. Bei uns müsse alles in den Vormittag hineingepackt werden, deswegen werde an dem frühen Start festgehalten.

Neuregelung der Ferien

"Unser Problem ist auch, dass wir keine ausreichende Mittagspause machen. Daher geht bei den Schülern am Nachmittag oft nichts mehr", führt er aus. Diese Thematik muss laut Zollneritsch aber ganzheitlich betrachtet und behandelt werden. "Es ist ein komplexes System, das ineinander spielt", so der Psychologe. Denn Arbeitszeit der Lehrer, Nachmittagsbetreuung und andere Dinge gilt es dabei zu berücksichtigen.
"Wünschenswert wäre dabei auch eine Neuordnung der Ferien. Die Lernpsychologie sagt, dass neun Wochen zu viel sind", sagt der Fachmann. Hier müsse man sich auch überlegen, wie man die Zeit, die man durch den späteren Beginn verliert, wieder hereinholt. "Ich würde aber keinesfalls dazu raten, weniger Stunden zu unterrichten. Vielmehr muss die Schule als Lern- und Lebensraum gesehen werden", appelliert er.

Lösung Ganztagesschule

Im besten Fall als Ganztagesschule. Wie realistisch das ist? "Der Psychologe in mir sagt, dass es umgesetzt werden soll und der Pragmatiker sagt, dass es unrealistisch ist, da die Interessen zu gegensätzlich sind."

WOCHE-WISSEN

Die Schulformen sind in Europa unterschiedlich: In Schweden, Norwegen, Island, Dänemark und Finnland werden Schüler im Alter von sieben bis 16 Jahren mit dem gleichen Lehrplan in einer Klasse unterrichtet. In Österreich, Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden und Luxemburg erfolgt eine Verteilung auf drei Schultypen: Gymnasium, Realschule und Hauptschule beziehungsweise Neue Mittelschule.

So früh geht Europa in die Schule

Internationaler Vergleich zeigt die unterschiedlichen Unterrichtszeiten.

So verschieden die Schulsysteme in Europa sind (siehe links oben), so verschieden sind auch die Zeiten des Unterrichtbeginns. Schon bei den Volksschulen zeigen sich im europaweiten Vergleich große Unterschiede. In Zypern beispielsweise starten die Kinder bereits um 7.45 Uhr mit dem Unterricht, in Italien um acht Uhr. Die Spanier beginnen eine halbe Stunde später um 8.30 Uhr. In Schweden und den meisten skandinavischen Ländern erfolgt der Unterrichtsbeginn um 8.45 Uhr. In Schweden gibt es danach die Möglichkeit, an Musikprojekten oder Sport teilzunehmen. In Großbritannien sitzen die Kinder um neun Uhr im Unterricht, der meist bis 15 Uhr dauert. Wie Wolfgang Pojer, Landesschulinspektor für Volksschulen, der WOCHE erklärt, gibt es in Großbritannien bereits um 8.15 Uhr ein gemeinsames Frühstück für alle Schüler. Auch das Betreuungsangebot ist an die Berufssituation der Eltern angepasst, der Regelunterrichtet startet jedoch um neun Uhr. Der Unterrichtsbeginn kann aber auch in den genannten Ländern variieren.

Schulpsychologe Josef Zollneritsch ist für eine Diskussion über den Unterrichtsbeginn offen. | Foto: Foto Fischer
Beste Laune: Schüler starten in den europäischen Ländern zu unterschiedlichen Zeiten mit der Schule. Wie internationale Studien belegen, ist ein späterer Unterrichtsbeginn sinnvoll. | Foto: Kzenon/Fotolia
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