Klassen in Quarantäne, Lehrermangel wegen Corona
Kimberger: "Österreichs Schulsystem steht knapp vor dem Kollaps"

Tatsächlich gibt es in Österreich bereits Schulen, in denen der halbe Lehrkörper in Quarantäne ist. Ein Schulbetrieb ist hier nicht mehr möglich. Eine Mutter berichtet vom Schulalltag in der zweiten Schulwoche: "Von den sechs regulären Schulstunde, wie sie am Stundenplan stehen, werden bereits vier Stunden suppliert, in denen es sich langweilt, einen Film schaut oder im Hof herumlaufen darf. Wer wird mit ihm den versäumten Stoff nachholen?" | Foto: Woodapple/Fotolia
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  • Tatsächlich gibt es in Österreich bereits Schulen, in denen der halbe Lehrkörper in Quarantäne ist. Ein Schulbetrieb ist hier nicht mehr möglich. Eine Mutter berichtet vom Schulalltag in der zweiten Schulwoche: "Von den sechs regulären Schulstunde, wie sie am Stundenplan stehen, werden bereits vier Stunden suppliert, in denen es sich langweilt, einen Film schaut oder im Hof herumlaufen darf. Wer wird mit ihm den versäumten Stoff nachholen?"
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In einem behördlichen Rundmail sollen negativ getestete Lehrer mit K1-Status (Kontakt zu einem Covid-Kranken), die eigentlich zehn Tage in Quarantäne bleiben müssten, bei Bedarf diesen "freiwillig" abbrechen und "in der Schule weiterarbeiten", um den Regelbetrieb aufrecht zu halten. Und das totale Schulchaos zu verhindern. Und um den Lehrermangel zu vertuschen. Die Gewerkschaft läuft Sturm. Paul Kimberger: "Das Schulsystem steht knapp vor dem Kollaps."

ÖSTERREICH. "So ein Rundmail wäre völlig inakzeptabel und meiner Meinung nach rechtswidrig," sagt Oberster Lehrergewerkschafter Paul Kimberger im Interview mit RMA Redakteurin Anna Richter-Trummer und er zeichnet ein höchst alarmierendes Bild über die aktuelle Lage an Österreichs Schulen: "Österreichs Schulen sind ob steigender Corona-Fälle in einer misslichen Lage. Die Situation spitzt sich extremst zu, es gibt sehr viele Corona-Fälle an den Schulen und noch viel mehr Coronaverdachts-Fälle. Der Regelbetrieb  an den Schulen ist dadurch gefährdet oder bereits nicht mehr möglich."

Das größte Problem: Tests dauern zu lange

Der Idealfall, dass bei einem Verdachtsfall  in der Schule 1450 gewählt wird, das betroffene Kind separiert und dann innerhalb einer Stunde von der Behörde getestet wird, gibt es nicht. "Faktisch warten wir tagelang auf die Testungen, und dann wieder tagelang auf das Ergebnis, oft erfahren wir, ob positiv oder negativ erst nach dem Ablauf der vorgesehenen Quarantäne-Zeit",so Kimberger über die Realität an den Schulen. "Das macht Österreichs Schulen sehr große Schwierigkeiten, weil dadurch ein Regelbetrieb fast unmöglich wird. Und die Lage wird  sich immer mehr zuspitzen, denn die Corona-Fälle nehmen immer mehr zu."

Schulen, die mangels Lehrkörper schließen müssen

Tatsächlich gibt es in Österreich bereits Schulen, in denen der halbe Lehrkörper in Quarantäne ist. Ein Schulbetrieb ist hier nicht mehr möglich. Eine Mutter berichtet vom Schulalltag in der zweiten Schulwoche ihres 11-jährigen Gymnasiasten in Wien: "Von den sechs regulären Schulstunde, wie sie am Stundenplan stehen, werden bereits vier Stunden suppliert, in denen sich mein Kind langweilt, einen Film schaut oder im Hof herumlaufen darf. Wer wird mit ihm den versäumten Stoff nachholen?" Nachgefragt bei der Schule stellt sich heraus, dass die betroffenen supplieren Stunden dadurch entstanden sind, weil die Lehrer in Quarantäne mussten. Die Stunden in den betroffenen Fächern können nun für 14 Tage nicht abgehalten werden. Einspringen kann offenbar niemand für den ausgefallenen Lehrkörper.  Aber Lehrermangel will das Ministerium nicht kennen.

Kein Schulbetrieb mehr möglich

"Wir sehen jetzt schon an vielen Standorten, dass ein regulärer Schulbetrieb nicht mehr möglich ist", so Kimberger: "In Wien ist die Lage enorm prekär, aber auch in anderen Bundesländern in Österreich." Der akute Lehrermangel und die zusätzlichen zahlreichen Quarantänefälle sowie langen Testzeiten machen einen regulären Schulbetrieb unmöglich. "Das Schulsystem steht knapp vor dem Kollaps." Laut Bildungsbehörde soll es "Reserve Lehrer" in Wien geben. Kimberger hält das für einen  - wörtlich - "Marketing-Schmäh". "Bereits in den letzten Jahren hatten wir 2000 Sonderverträge für Wiens Schulen, das sind Verträge für Personen, die keine Ausbildung haben oder in Ausbildung sind, aber schon an der Schule arbeiten." Aktuell lässt Kimberger erheben, wieviele Schulstandorte in Österreich bereits betroffen sind, an denen wegen Corona kein regulärer Schulbetrieb mehr möglich ist. Am Mittwoch soll das Ergebnis vorliegen.  Meinbezirk.at bleibt dran.

"Schreiben ging per Mail am Freitag an alle Schulen"

Die Wiener Bildungsdirektion war trotz mehrfacher Anfrage erst am späten Vormittag zu einer Stellungnahme bereit. Sprecher Matias Meissner bestätigte das Mail: "Tatsächlich erging am Freitag ein Mai an alle Schulleiter in Wien, dass  es die Möglichkeit gibt, dass negativ getestete Lehrer mit K1-Status (Kontakt zu einem Covid-Kranken), die eigentlich zehn Tage in Quarantäne bleiben müssten, bei Bedarf diesen freiwillig abbrechen und in der Schule weiterarbeiten können. Das bedeutet, die Schule kann Lehrer zu sogenanntem Schlüsselpersonal ernennen. Das erfolgt durch die Gesundheitsbehörde, die MA 15. Bis dato ist kein Fall bekannt, wo dies eingetreten ist."

109 Klassen in Wien in Quarantäne

Und weiter: " Aktuell sind 109 Klassen in Wien in Quarantäne und 2.500 Schüler vom insgesamt 240.000 Schülern in Wien. Wir haben in Wiens Schulen also eine stabile Lage auf niedrigem Niveau." Auch Lehrermangel kann man keinen erkennen: "Es gibt Extremfälle, etwa in der Geblergasse, aber Fachsupplierungen sind nur in Einzelfällen schwierig." Insgesamt sei man gut vorbereitet: "Wir haben im Pflichtschulbereich sogar eine kleine Reserve an Lehrkörper aufbauen können, aber grundsätzlich kann man nicht Personal für alle Schulen vorsorglich anstellen."

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