Urteil im Kurz-Prozess steht
Richter spricht Sebastian Kurz schuldig
Nach insgesamt zwölf Prozesstagen stand am 23. Februar das große Finale im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und dessen ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli an. Nachdem am zunächst der zweite russische Zeuge per Videoschaltung aus der österreichischen Botschaft in Moskau bezüglich seines Treffens mit Thomas Schmid befragt und auch der ehemalige ÖBAG-Chef selbst nochmals zu Wort gekommen war, fällte Richter Michael Radasztics am Abend das Urteil: Sebastian Kurz ist teilweise schuldig. Das gilt auch für Bonelli. Die Verteidigung will in Berufung gehen. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.
ÖSTERREICH. Kurz wird zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt. Der Richter sieht es als erwiesen an, dass Kurz vor dem U-Ausschuss falsch ausgesagt habe. Ihm sei bewusst gewesen, dass er daran beteiligt war. Freigesprochen wird er hingegen bezüglich der Vorstandsbestellung und der Schiefer-Schmid-Vereinbarung.
Bonelli bekommt sechs Monate bedingt. Auch er habe im U-Ausschuss falsch ausgesagt. In drei anderen Anklagepunkten wird er freigesprochen. Sie erhalten beide eine Probezeit von drei Jahren. Weiters werden beide zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt. Sowohl Kurz-Verteidiger Dietrich als auch Bonellis Anwalt Suppan legen Berufung auf Nichtigkeit, Schuld und Strafe ein.
Begründung für Urteil
Richter Radasztics begründet das Urteil damit, dass eine Falschaussage vorliegt, wenn sie mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Das gelte vor Gericht wie vor einem U-Ausschuss. Das Argument, dass eine unvollständige Aussage keine Falschaussage sei, hält der Richter nicht für richtig.
Die Aussagen von Schmid seien als glaubwürdig betrachtet worden, wenn man sie in ihrer Gesamtheit betrachtete, da sie differenziert waren. Er hatte bestimmte Aspekte durchaus relativiert und sich bemüht, seine Bemühungen nicht zu beschönigen oder herunterzuspielen, betonte Radasztics. Die Glaubwürdigkeit von Schmid wurde zudem durch die russischen Zeugen nicht erschüttert.
Warum Kurz in der Schmid-Schiefer-Vereinbarung freigesprochen wurde, liegt an dem Umstand, dass Radasztics nicht überprüfen könne, ob Kurz' Aussage falsch sei. Kurz habe erklärt, dass er nicht wisse, was darin vereinbart worden sei. Aufgrund dieser Unklarheiten habe der Richter den Ex-Kanzler in dieser Angelegenheit freigesprochen.
Worum es im Prozess ging
Der Andrang im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts für Strafsachen war am Freitag erwartungsgemäß groß: Seit dem 18. Oktober ging Richter Radasztics der Frage nach, ob Ex-Kanzler Kurz und sein ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli im Ibiza-U-Ausschuss Falschaussagen getätigt haben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) warf den beiden Angeklagten vor, die Rolle des ehemaligen Bundeskanzlers bei der Besetzung des Aufsichtsrats und Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) kleingeredet zu haben. Die Staatsanwaltschaft stützte sich bei ihren Vorwürfen vor allem auf Aussagen des ehemaligen ÖBAG-Chefs Thomas Schmid, der Kurz schwer belastete.
Russe und Schmid wurden befragt
Am Freitagvormittag wurde auf Antrag der Kurz-Verteidiger der zweite russische Geschäftsmann per Videoschaltung aus der österreichischen Botschaft in Moskau befragt, der unter eidesstattlicher Erklärung behauptet, dass Schmid während eines Geschäftstreffens im August 2023 in Amsterdam angedeutet hätte, in Bezug auf seine Aussagen von der Staatsanwaltschaft unter Druck gesetzt worden zu sein.
Da die Verteidigung mithilfe der Befragung der beiden Russen an der Glaubwürdigkeit Schmids rütteln wollten, wurde im Anschluss auch nochmals der ehemalige ÖBAG-Chef selbst per Videoschaltung einvernommen.
Der letzte Prozesstag zum Nachlesen im Live-Ticker:
Was eine Verurteilung bedeutet:
Aufatmen heißt es zumindest kurzfristig nach der – noch nicht rechtskräftigen – Verurteilung von Ex-Kanzler Kurz für die WKStA. Nachdem zuletzt viele Anklagen – etwa bei Heinz-Christian Strache – mit einem Freispruch endeten oder bereits vor einem etwaigen Prozess eingestellt wurden, konnten die Oberstaatsanwälte nun einen Sieg erringen. Auch für Thomas Schmid dürfte die vorläufige Verurteilung von großer Bedeutung sein und seine Chancen auf einen Kronzeugenstatus weiter vergrößern. Durch ist die Causa rund um die Falschaussagen im Ibiza-U-Ausschuss aber noch nicht, schließlich ging die Verteidigung bereits am Freitag in Berufung.
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