Tote Zonen
Seen geht langsam die Luft aus

Auch die Seen in Tirol entwickeln sich immer mehr zu toten Zonen! | Foto: Georg Kranewitter
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  • Auch die Seen in Tirol entwickeln sich immer mehr zu toten Zonen!
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Der Klimawandel ist allgegenwärtig: Seen erwärmen sich, die Sauerstoffkonzentration im Wasser sinkt und es entstehen immer mehr tote Zonen.

INNSBRUCK. Eine Studie von Ruben Sommaruga vom Institut für Ökologie an der Universität Innsbruck und einem internationalen Team von Forscherinnen und Forscher, bei der weltweit insgesamt 393 Seen unter der Leitung von Kevin C. Rose und Stephen F. Jane vom Rensselaer Polytechnic Institute (USA) untersucht wurden, bestätigt diese dramatische Entwicklung. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Nature veröffentlicht.

Temperatur und Sauerstoff

Für die Studie haben Ruben Sommaruga und über 40 internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in 393 Seen die Sauerstoffkonzentration im Verhältnis zur Temperatur in einem Zeitraum von über 70 Jahren untersucht. Insgesamt wurden dabei 45.000 kombinierte Profile von Temperatur und Sauerstoff analysiert. Ermöglicht wurde diese enge Zusammenarbeit durch das „Global Lake Ecological Observatory Network“ (GLEON), ein global agierendes Konsortium, das diese Fragen erstmals nach einem Treffen in Gaming (Österreich) im Jahr 2016 aufgeworfen hat.

„Durch die Klimaerwärmung steigen auch die Temperaturen der Wasseroberfläche, wodurch wiederum weniger Sauerstoff in die Seen diffundiert. Wir beobachten diesen Trend weltweit, wollten aber auch untersuchen, was in der Tiefe der Seen passiert und wie signifikant diese Trends waren. 

, verdeutlicht Ökologe Sommaruga von der Uni Innsbruck. Eine zentrale Erkenntnis der umfangreichen Studie ist, dass sich tote Zonen nicht nur in marinen Bereichen, wie etwa der Mündung des Flusses Po in die Adria, sondern auch in Seen ausbreiten, und das um ein Vielfaches schneller und stärker als bisher gedacht. Der Verlust-Trend von Sauerstoff in den Seen ist laut publizierter Studie um bis zu neun Mal stärker als im Meer.

„Tiefblaue Seen schauen schön aus. Auf ihrem Grund aber tickt häufig eine Bombe, nämlich der durch die Klimaerwärmung bedingte Verlust von Sauerstoff“

, so Sommaruga.

Der Lago Maggiore zählte zu einem der 393 Seen, der von Forschern untersucht wurde. | Foto: Ruben Sommaruga
  • Der Lago Maggiore zählte zu einem der 393 Seen, der von Forschern untersucht wurde.
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Biodiversität in Gefahr

Mit der abnehmenden Sauerstoffkonzentration verschwinden auch die meisten Lebensformen.

„Nur wenige eukaryotische Einzeller und Prokaryonten können ohne Sauerstoff überleben. Alle großen Formen von Leben verschwinden“

, so Sommaruga, der präzisiert, dass sich vor allem der gesamte Nährstoffkreislauf in Seen verändern wird, wie er auch gemeinsam mit seinem Team im heimischen Piburger See beobachtet. Doch nicht nur den Lebewesen wird mit der Verringerung der Sauerstoffkonzentration die Lebensgrundlage entzogen. Grundsätzlich beobachten die Forscherinnen und Forscher eine Verschlechterung der Wasserqualität, was vor allem für Seen und Stauseen, die auch für Trinkwasser verwendet werden, von großer Bedeutung ist.

„Letztlich steigt auch die Konzentration von Treibhausgasen im Wasser“

, erläutert der Ökologe. Durch die klimatische Erwärmung der Wassertemperatur an der Oberfläche erhöht sich auch der Temperaturunterschied (Schichtungsstärke) zu den tieferen Schichten im See. Dadurch, dass sich die Seen manchmal über lange Perioden nicht komplett mischen, kommt der Sauerstoff nicht in die Tiefe. Gleichzeitig verstärken noch weitere Prozesse den Verlust des Sauerstoffs auch in den unteren Wasserschichten. Bedingt durch die klassische Eutrophierung, einer Überdüngung, etwa durch Landwirtschaft in der direkten Umgebung von Seen, kommen zusätzlich Stickstoff und Phosphor in den See.

„Limnologen sprechen von einem gut ernährten See, in dem so die Algenbildung gefördert wird“, so Sommaruga, der betont, „Algen produzieren zwar durch Photosynthese mehr Sauerstoff in den oberen Wasserschichten im See, sterben sie aber ab, sinken sie auf den Grund des Sees, wo dann der folgende Abbauprozess erneut viel Sauerstoff verbraucht.“

Durch diese ungünstige Kombination von Effekten kommt es zu einem zusätzlichen negativen Sauerstoff-Trend in Tiefwasserschichten für Seen, den die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler statistisch bestätigen konnten. Vor allem Arten, die auf kalte, sauerstoffreiche Gewässer spezialisiert sind, werden zunehmend Schwierigkeiten haben zu überleben.

„Die Abnahme von Sauerstoff in Seen hat negative Konsequenzen für die grundlegende Funktion des Sees, seine Wasserqualität und die Biodiversität“

, verdeutlicht der Ökologe. Dagegen unternehmen kann man allerdings direkt nur wenig, auch wenn zum Schutz von Seen und zum Aufhalten des Trends beispielsweise das Düngen von Feldern in unmittelbarer Nähe bestimmter Seen bereits eingeschränkt oder verboten wurde. Die fortschreitende Abnahme von Sauerstoff in Seen wird die Biodiversität langfristig stark schädigen.

Auch die Seen in Tirol entwickeln sich immer mehr zu toten Zonen! | Foto: Georg Kranewitter
Der Lago Maggiore zählte zu einem der 393 Seen, der von Forschern untersucht wurde. | Foto: Ruben Sommaruga
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