Gewalt an Frauen
Opfer stecken in der Lockdown-Falle fest
Kampagne "16 Tage gegen Gewalt": Trotz Anstieg können viele Opfer im Moment keine Hilfe suchen.
Zwischen dem 25. November, dem Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, und dem 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, wird alljährlich verstärkt auf Gewalt an Frauen und Mädchen aufmerksam gemacht. Laut einer Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts "Österreichische Gesellschaft für Marketing", die vom Bundesministerium für Inneres in Auftrag gegeben wurde, haben Übergriffe und Gewalt in der Partnerschaft und Familie während der beiden Lockdowns zugenommen. 34 Prozent der Befragten bemerkten mehr Gewalt, 30 Prozent mehr Spannungen und Konflikte. Im Mai und April wurden im ländlichen Raum und mittleren Städten Österreichs 1.095 tatsächliche Vorfälle häuslicher Gewalt mit Polizeieinsatz gemeldet. 1.081 Betretungs- und Annäherungsverbote wurden ausgesprochen. In Graz-Umgebung gab es heuer bereits 85 gemeldete Opfer von Gewalt.
Ausweg oft nicht sichtbar
Der Verein "Weitblick" mit der Mädchen- und Beratungsstelle meldet bislang keinen spürbaren Anstieg von häuslicher Gewalt. Und das ist paradoxerweise das eigentliche Problem, denn: "Wir wissen ja nicht, warum. Durch die Isolation kann es durchaus auch sein, dass viele Frauen nicht den Weg zu Beratungsstellen gefunden haben, die oft sehr wichtig sind, um den Schritt raus aus der Gewaltspirale zu gehen", sagt Anika Harb. Viele Frauen, fügt sie hinzu, erleben Ohnmachtsgefühle durch erlebte Gewalt und können nur mit Hilfe den Schritt schaffen. Und das oft nur ganz, ganz langsam. "‚Wieso geht sie nicht einfach?‘, ist völlig kontraproduktiv, weil viele Frauen tatsächlich nicht können." Mögliche Gründe sind finanzieller oder emotionaler Natur. Auch Drohungen, die die Kinder betreffen, spielen eine entscheidende Rolle. "Ein Ausweg ist oft nicht sichtbar für betroffene Frauen. Darum gehen wir in der Beratung hier auch sehr langsam und vorsichtig vor. Das Tempo bestimmt immer die Frau; Schutzmaßnahmen werden parallel dazu gesetzt", sagt Harb.
Zu gehen fällt schwer
Der Lockdown, der dazu führt, dass die Menschen vermehrt zuhause sind, schafft bei Gewaltopfern mehr denn sonst das Gefühl von Enge und Ausweglosigkeit. Einem Täter aus dem Weg zu gehen und zu Freunden zu flüchten, fällt schwer. Auch Arbeitslosigkeit, sofern sie einen Täter betrifft, sorgt für Stress, ein erhöhtes Aggressionspotenzial und Angriffspunkte. Deshalb ist es wichtig – egal, ob das Opfer weiblich oder männlich ist –, die Opferschutzstellen aufzusuchen und Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen (siehe Info unten). Online-Beratungen und Online-Netzwerke sind eingerichtet. "Wenn Angst verspürt wird: Schutz suchen! Nachbarn einweihen, bei Freunden das Thema anschneiden oder auch beim Hausarzt", so Harb. "Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob das, was ich erfahren habe, Gewalt ist. Denn manchmal nehmen Opfer Gewalt nicht als solche wahr. Da darf und soll man nachfragen."
Im häuslichen Bereich ist Gewalt gegen Männer weitgehend ein Randthema, nicht selten sogar ein Tabuthema. Dabei sind bereits im ersten Jahr des Männernotrufs Steiermark weit mehr als 1.000 Anrufe eingegangen. Harb rät Frauen und Männern, Hilfe aufzusuchen.
Anlaufstellen für Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche:
- Verein Weitblick (Mädchen- und Frauenberatungsstelle) in Gratwein und Vasoldsberg: 0650/3007419, office@verein-weitblick.at, www.institut-weitblick.at
- Gewaltschutzzentrum Steiermark: 0316/774199, office@gewaltschutzzentrum.at
- Frauenhelpline: 0800/222555
- Polizei kontaktieren unter 133
- Frauenhäuser: 0316/429900, office@frauenhaeuser.at
- Männernotruf: 0800/246247, www.maennernotruf.at
- Informationen über häusliche Gewalt für Kinder und Jugendliche: www.gewalt-ist-nie-ok.at
Round Table – Austausch mit Experten:
Alle steirischen Frauen- und Mädchenberatungsstellen veranstalten bis zum 10. Dezember regionale Round Tables, um für das Thema Gewalt an Frauen zu sensibilisieren. Geplant sind 22 Round Table-Veranstaltungen sowie fünf Expertengespräche, in deren Rahmen rund 400 bis 500 Personen erreicht werden. Aufgrund der neuen Lockdown-Verordnung finden die Veranstaltungen online statt. Der Verein Weitblick hält seinen Runden Tisch online am 10. Dezember ab.
Alle Infos gibt es unter https://www.facebook.com/events/1013699692445796/ sowie auf der Homepage von Weitblick.
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