Alzheimer-Demenz
Kognitive Reserven und Heilpotentiale aktiv nutzen

Reinhold Schmidt, Leiter der Grazer Universitätsklinik für Neurologie, mit Moderatorin Martina Kohrgruber.  | Foto: C. Pendl
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  • Reinhold Schmidt, Leiter der Grazer Universitätsklinik für Neurologie, mit Moderatorin Martina Kohrgruber.
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Über die Symptomatik von Alzheimer-Demenz muss man nicht viele Worte verlieren. Fast allen von uns sind Mitmenschen bekannt, deren episodisches Erinnerungsvermögen oder andere kognitive Fähigkeiten so stark eingeschränkt sind, dass eine unkomplizierte mündliche Kommunikation schwer bis kaum möglich ist. Auch wenn diese Diagnose, aufgrund der eigenen Erfahrungen bei anderen, häufig noch so aussichtslos wirkt: Es kann gegengesteuert werden - wie, darüber referierte der Neurologe Reinhold Schmidt, Vorstand der Grazer Uniklinik für Neurologie, beim vergangenen MeinMed-Abend an der Med Uni Graz.

GRAZ. Mit viel Überblick und Fachwissen, aber auch taktvollem Humor und gesunder emotionaler Distanz präsentierte der Gerontologe und Neurologe die im Alltag doch sehr komplex wirkende Thematik rund um Alzheimer-Demenz. Dass es aber nicht nur Hoffnungsschimmer, sondern effektive Möglichkeiten gibt, Demenz vorzubeugen und im Krankheitsfall Symptome zu verringern, wurde einem an diesem Abend erfrischend klar.
Auch wenn Amyloid-Plaques, also Ablagerungen im Gehirn, bereits im Alter von 40 Jahren festgestellt werden können, bedeutet das noch nicht, später auch an Demenz zu erkranken. Selbst bei einer familiären Häufung, die zumindest statistisch mit einem erhöhten Risiko einhergeht, ist eine Erkrankung der jüngeren Generation später im höheren Alter nicht unbedingt in Stein gemeiselt. Die Einflussfaktoren dürften zahlreiche sein, welche in Kombination die Ausprägung der Symptome mit beeinflussen. Oft als Alzheimer-Symptom verkannt: Vergesslichkeit aufgrund von zu viel Stress und gleichzeitiger Erledigung von Arbeiten. "Hier wären Zeitmanagement und mehr Entspannung die richtige Therapie", schließt der Neurologe augenzwinkernd eine Alzheimer-Diagnose in solchen Fällen aus.

Kognitive Reserven

Einer der Schlüssel zur Vorbeugung – aber auch in der Therapie – nennt sich "Kognitive Reserve": Das menschliche Gehirn hat ein enormes Regenerationsvermögen, viele ungenutzte Potentiale und die Fähigkeit, Schädigungen durch Reorganisation auszugleichen. Durch geistige und körperliche Aktivität werden diese Potentiale zum Leben erweckt. Hier haben sich bei repräsentativen Studien (z.B.Verghese, in N England J Med 2003; 348:2508-16) vor allem Lesen, Brettspiele, das Spielen von Musikinstrumenten sowie Tanzen als sehr wirkungsvoll gezeigt. Auch eine im Journal "The Lancet" publizierte Studie (Finger-Studie) sowie das darauf aufbauende "Finger-Protokoll" zeigen, dass eine vielseitige, multimodale Intervention die kognitiven Funktionen bei Risikopatienten verbessern oder erhalten kann. Hierbei werden auch Ernährungsberatung, Fitnesstraining sowie kognitives Training (allein und in der Gruppe) neben der medizinischen Abklärung und Beobachtung der Symptomatik miteinbezogen - mit Erfolg, wie Schmidt unterstreicht:

"Die umfassende Unterstützung mit kognitivem Training, Fitnesstraining, Ernährungsberatung und medizinischer Begleitung hilft meist, aber braucht auch sehr viel Zeit und die notwendigen Rahmenbedingungen."

Schlafqualität und Lebensstil

Nachteilig wiederum wirken Distress, ungesunde Ernährung und vor allem Schlafmangel. Letzteres ist ein noch eher junges Forschungsgebiet in Hinblick auf das Demenzrisiko, aber es zeigt sich, dass zu wenig und schlechter Schlaf ein erhöhtes Risiko für Amyloidansammlungen darstellen könnte, da während des Schlafs Amyloid im Gehirn über ein lymphatisches System abgebaut wird, so die Annahme.
Auch Entzündungen und erhöhte Zytokinspiegel, eventuell ausgelöst durch Amyloid-Plaques, könnten ein Risikofaktor sein. Ebenfalls nachteilig: Schlechtes Hören sowie Einsamkeit, da beides die sozialen Interaktionsmöglichkeiten verringert und damit auch kognitive Aktivitäten.
Was nicht direkt mit Alzheimer zu tun hat, aber oft dafür gehalten wird, sind Gedächtnisstörungen und kognitive Beeinträchtigungen nach langen Narkosen bei Patienten mit einem schlechten allgemeinen Gesundheitszustand. "Narkosen rufen kein Alzheimer hervor", wie Schmidt betont, "können aber zusätzlich bei einer Alzheimer-Erkrankung für manche Patienten erschwerend sein.

Antikörper-Forschung

Im Bereich der Antikörper-Forschung ist man in den letzten Jahren auf zwei Antikörper-Arten gestoßen, die Plaques im Gehirn entfernen können. Langzeitstudien oder Zulassungen für Medikamente stehen Schmidt zufolge aber noch aus. "Es sind noch viele Punkte offen – aber wir sind mit dem Wissen um die Funktion einiger Antikörper dem heiligen Gral damit wieder etwas näher gekommen", beschreibt der Neurologe den aktuellen Stand.

Aktiv und gesund leben

Was der Alzheimer-Experte auf Besucherfragen zusammenfassend hinsichtlich Ernährung und Lebensstil als Vorbeugung empfiehlt?

"Alles, was die Kardiologen als Risikofaktoren nennen, sagen wir – ganz allgemein ausgedrückt – auch: Somit sind mediterrane Ernährung, Bewegung, ausreichend Erholung und Schlaf, Vermeidung von Distress, nicht Rauchen und wenig Alkoholkonsum bestimmt vorteilhaft."

Und, nicht vergessen: Man kann sich auch geistig fit(ter)tanzen und musizieren.

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Reinhold Schmidt, Leiter der Grazer Universitätsklinik für Neurologie, mit Moderatorin Martina Kohrgruber.  | Foto: C. Pendl
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