Jahreszeiten
Herbst

Wenn ein Mensch in einer lauten und feinstaubbelasteten Stadt wie Graz lebt, ist es nicht verwunderlich, dass dieser eine gewisse Sehnsucht nach dem Land und der damit verbundenen Ruhe entwickelt. Ab und zu treibt die Stadt einen nun mal an die Grenzen der Belastbarkeit. In diesen Momenten wird alles um die eigene Person plötzlich irrelevant und man sehnt sich nur noch nach der Natur, die sich in einer Stadt in Form von Parks finden lässt. Vor allem an heißen Sommertagen scheinen diese ein wahrer Gottessegen zu sein. Doch was ist, wenn es kühler wird, der Sommer sich schon lange verabschiedet hat und man sich am liebsten in den Winterschlaf begeben würde, weil es draußen unfreundlich und trüb ist?

Ich sitze gerade auf einer Bank im Oeverseepark in Graz, in den Händen halte ich einen Block und einen Stift, mit dem ich diese Zeilen hier schreibe. Wir haben Anfang November und es ist spät am Nachmittag. Die Dunkelheit wird bald über uns einbrechen, weshalb ich diese letzte halbe Stunde mit Sonnenlicht ganz bewusst genieße, ich die Atmosphäre förmlich aufsauge.
Ich nehme den Geruch des auf der Wiese liegenden Laubs ganz bewusst in all seiner Vielfalt auf. Ich höre den Vögeln, die noch nicht in den Süden geflogen sind, sehr aufmerksam beim Zwitschern zu. Ich beobachte die unterschiedlichen Insekten, während sie auf meinem Schreibblock landen und dann wieder davonfliegen. Ich sehe Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben beim Auf-und-ab-Gehen zu. Ich helfe einem kleinen Jungen dabei, seine Fahrradpedal zu reparieren, ermahne ihn aber, es bei der ersten Gelegenheit von einem Fachmann ansehen zu lassen. Ich bemerke, wie morsch die Äste an den Bäumen bereits sind. Ich fühle, wie sich der Sommer schon vor Wochen verabschiedet und sich damit eine meiner größten jährlichen Befürchtungen zu bewahrheiten scheint: Es kommt ein langer und kalter Winter auf uns zu. Ich spüre die Kälte bereits an meinen Fingern beim Schreiben dieser Zeilen.
Doch ist wirklich alles am Herbst und am darauffolgenden Winter so schlimm, wie ich es befürchte? Mag sein, dass der Sommer angenehmer ist, jedoch kann auch der Herbst auf seine eigene Art und Weise wunderschön sein. Selbst wenn ich ein Sommermensch bin und es von mir aus das ganze Jahr warm sein könnte, ist dessen Ende kein Grund für mich, bis zum Frühling eingesperrt zu bleiben und in eine große Depression zu verfallen.
Zum einen deshalb, weil die ganzen oben beschriebenen Dinge auf ihre eigene Art und Weise einzigartig und wunderschön sind und zum anderen, weil diese Jahreszeit uns einen Grund gibt, uns auf etwas zu freuen: Der Frühling ist näher als wir denken.
Meine Einstellung ist vor allem der Tatsache zu verdanken, dass ich ein sehr positiv eingestellter Mensch bin, das streite ich nicht ab. Denn ich versuche immer, das Positive über das Negative zu stellen und, wenn es der Sache sonst schon nichts abzugewinnen gibt, einen Lerneffekt aus der schlechten Erfahrung zu ziehen. Diese Welt ist nun mal zu einem sehr großen Teil ein Spiegelbild der eigenen Gedanken. Deshalb will ich euch, liebe Leser, dazu ermutigen, ebenfalls das Positive dem Negativen vorzuziehen.
Schaut raus aus euren vier Wänden und beginnt damit, die Welt in all ihrer Pracht wahrzunehmen. Taucht in das trübe aber auf seine eigene Art wunderschöne Bild des Herbstes ein und werdet eines mit der Atmosphäre, die dieser vermittelt. Ihr werdet dadurch selbst dessen Attraktivität kennenlernen und zusätzlich ein paar Kalorien verbrennen sowie ihr auch eurem Herz-Kreislauf-System etwas Gutes tun werdet.

Zu welchem Schluss kommen wir deshalb?
Der Herbst hat ganz eigene Vorzüge zu bieten. Lasst euch von der Kälte und der scheinbaren Unfreundlichkeit dieser Jahreszeit nicht täuschen. Begebt euch in die Natur. Beobachtet und analysiert sie. Nehmt den guten Geruch der Blätter und Nadeln wahr, der zu dieser Zeit stärker denn je präsent ist. Dann wird die Kälte auch so schnell an euch vorbeiziehen, wie es Eichenblätter bei starkem Wind tun. Denn eines ist, wie weiter sicher: Der nächste Sommer kommt bestimmt, früher als ihr denkt.

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