Kein Helm, keine Klingel
E-Scooter-Unfälle - Zahl der Verletzten verdoppelt
Immer mehr E-Scooter sind auf Österreichs Straßen zu sehen. Das bringt auch eine Gefahr, denn die Zahl der Verletzten nach Unfällen mit E-Rollern hat sich 2021 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Experten fordern strengere Regeln und Kontrollen. Die Firmen planen, über spezielle Software, E-Scooter-Sünder leichter zu entlarven.
ÖSTERREICH. Das Fahren mit E-Scootern boomt in Österreich. Immer mehr E-Roller werden gekauft, auch die Verleiher stellen immer mehr Geräte zur Verfügung. Doch das birgt auch eine Gefahr. Denn: 2021 hat sich die Zahl der verletzten Personen, die nach E-Scooter-Unfällen im Spital behandelt werden mussten, im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt (2020: 1.300; 2021: 2.700). Das zeigt eine Hochrechnung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV), die den RegionalMedien Wien vorliegen.
KFV-Experte Klaus Robatsch erklärt die höhere Zahl der verletzten Personen mit der steigenden Zahl der Leih- sowie privat angeschafften Roller. Aber auch das Fahrverhalten ist alles andere als lobenswert: Laut einer KFV-Studie sind in 75 Prozent der Fälle die Lenker selbst schuld am Unfall. Fast jeder vierte Unfall passiert auf der Fahrbahn, weniger als ein Drittel am Gehweg. Ein Viertel der untersuchten Fahrerinnen und Fahrer fuhren illegal auf Gehsteigen, die durchschnittliche Geschwindigkeit beträgt 15,1 km/h. Und: nur zwei Prozent der Fahrerinnen und Fahrer trugen einen Helm.
Wie viele E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden es 2021 in Österreich gab, ist nicht bekannt. Die Statistik Austria rechnet nämlich Fahrräder, E-Bikes und E-Scooter in der Unfallstatistik als eine gemeinsame Verkehrsmittel-Art zusammen. In dieser Kategorie wurden aber so viele Verletzte wie noch nie zuvor verzeichnet - 9.617 waren es.
Lasche Regeln
Robatsch kritisiert seit einiger Zeit die Regeln für E-Scooter in Österreich. Hierzulande dürfen Kinder bereits ab zwölf Jahren einen E-Roller fahren, mit einem Radfahrausweis sogar ab dem neunten Lebensjahr. In Deutschland gilt das erst ab 14.
Auch die maximal erlaubte Geschwindigkeit ist höher als in den Nachbarländern: 25 km/h in Österreich, 20 km/h in Deutschland und der Schweiz. Bis zu 0,8 Promille Alkohol im Blut sind in Österreich erlaubt – mehr als in den Nachbarländern. Darüber hinaus ist eine Glocke bzw. Hupe in Österreich nicht verpflichtend.
Der KFV-Experte fordert strengere technische Anforderungen für Bremsen und Hupen, mehr Seitenabstand beim Überholen von anderen E-Scooter-Fahrern, eigene Abstellplätze und strengere Sanktionen bei Nichteinhaltung der Regeln.
4.500 Leihroller nur in Wien
Die meisten E-Roller werden naturgemäß in der Hauptstadt gefahren. Neben den privaten sind laut Schätzungen der Stadt Wien auch 4.500 Leihroller der Unternehmen Bird, Lime, Tier und Link zu finden. Derzeit dürfen die vier Verleiher jeweils maximal 500 Roller in je drei definierten Zonen (1. Bezirk; 2.-9. und 20. Bezirk, sowie alle Außenbezirke) stationieren.
Software soll Sünder entlarven
Da noch sehr viele Fahrer die verliehenen E-Scooter am Gehsteig fahren, planen die Unternehmen auf Anfrage der RegionalMedien die Nutzung einer speziellen Software: "Die Defense-Technologie, die 2023 eingeführt wird, erkennt in Echtzeit, wo sich der E-Scooter zentimetergenau befindet. Damit werden wir in der Lage sein, mit einem extrem hohen Maß an Präzision zu erkennen, ob der Fahrer auf einem Gehsteig fährt", erklärt Link-Sprecher Laurenz Vavrovsky.
Falls die Lenkerin bzw. der Lenker tatsächlich auf dem Gehsteig fährt, kann der Verleiher durch entsprechende Aufklärung und sogar durch Verlangsamung oder Anhalten des Rollers den Fahrenden davon abhalten, dieses Verhalten fortzusetzen. Auch Lime testet derzeit in Wien die Software "Visual Positioning Service", basierend auf Google-Daten.
Mehr Abstellplätze gefordert
Das Unternehmen Lime erhofft sich mehr Abstellplätze für E-Scooter: "Wir würden es sehr begrüßen, wenn in Wien mehr Parkraum für Autos in Parkraum für Makromobilität umgewandelt wird. Damit würde man eine Infrastruktur für eine noch lebenswerte Stadt schaffen", sagte Sprecher Bodo von Braunmuhl.
Das erhofft sich auch KFV-Experte Robatsch: "Laut einer jüngsten Befragung wollen viele E-Scooter-Fahrer keine weiten Wege gehen, um zu den Rollern zu kommen". Seit einigen Monaten hat die Stadt Wien insgesamt 17 eigene E-Scooter-Parkplätze – auch "Mobility Hubs" genannt – im Bezirk Penzing gestellt. Wenn die E-Roller richtig abgestellt werden, bekommen bei einigen Verleihern die Nutzerinnen und Nutzer Freiminuten als Belohnung.
In den kommenden Monaten will die Stadt Wien die maximale Anzahl der E-Scooter in der Hauptstadt überarbeiten und die Sharingangebote enger regulieren. Auf RegionalMedien-Anfrage wollte das Büro der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) jedoch die Pläne nicht preisgeben.
Interessante Studienergebnisse zu E-Scootern in Österreich:
- 77 Prozent der verunglückten Lenker waren Männer
- 75 Prozent der Unfälle passierte durch Selbstverschulden des E-Scooter-Fahrers
- 37 Prozent passieren auf der Fahrbahn, 27 Prozent am Gehweg
- 50 Prozent der E-Scooter-Lenker schätzen die Fahrt als eher bis sehr gefährlich ein
- jeder 4. E-Scooter-Nichtnutzer ist bereits einmal über einen abgestellten E-Scooter gestolpert
- 15,1 km/h beträgt die durchschnittliche Geschwindigkeit von E-Scooter-Fahrern in Wien
- nur zwei Prozent der Fahrerinnen und Fahrer trugen Helme
- 15 Prozent fuhren illegal auf Gehsteigen
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