Fall Anja Windl
Koalitionskrach nach Weisung des Justizministeriums

Nach der Enthaftung der Klimaaktivistin Anja Windl ("Letzte Generation") gab die Staatsanwaltschaft bekannt, keine Beschwerde zu erheben, da die Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA) und das Justizministerium dies angewiesen hatten. | Foto: APA Picturedesk
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  • Nach der Enthaftung der Klimaaktivistin Anja Windl ("Letzte Generation") gab die Staatsanwaltschaft bekannt, keine Beschwerde zu erheben, da die Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA) und das Justizministerium dies angewiesen hatten.
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Nach der Enthaftung der Klimaaktivistin Anja Windl ("Letzte Generation") gab die Staatsanwaltschaft bekannt, keine Beschwerde gegen die Entscheidung zu erheben, da dies von der Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA) und dem Justizministerium so angewiesen wurde. Der ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker unterstellte Justizministerin Alma Zadić am Dienstag eine "mutmaßlich ideologisch motivierte Intervention". Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mickl-Leitner ortet darin ein falsches Zeichen. 

ÖSTERREICH. Die Klimaaktivistin wurde im November im Zuge einer Protestaktion festgenommen, nachdem sie sich zuvor mit einer Mischung aus Quarzsand und Superkleber auf der Straße festbetoniert hatte. Windl wurde daraufhin in die Justizanstalt Josefstadt überstellt, wobei die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft einbrachte. Dieser wurde zunächst vom Wiener Landesgericht für Strafsachen abgelehnt; die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und das Justizministerium wiesen die Staatsanwaltschaft daraufhin an, vom Einbringen einer Beschwerde Abstand zu nehmen.

Windl hat bei einer Protestaktion im November "festbetonieren". | Foto: Letzte Generation (AT)
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Stocker forderte nun in einer Aussendung "dringend Aufklärung" über die Weisung des Justizministeriums. So unterstellte er Zadić, die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wien gegen die Enthaftung von Windl "daschlogn" zu haben. Es stelle sich in diesem Zusammenhang die Frage, "warum die Justiz in diesem Fall nicht unabhängig ermitteln konnte" und die Weisung erteilt wurde, die Beschwerde einzustellen. 

"Nächste mutmaßlich politische Intervention"

Das Justizministerium stellte bereits am Montagabend gegenüber der APA klar, dass das Weisungsrecht im Rahmen der Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften von der für Einzelstrafsachen im Justizministerium zuständigen Sektion V ausgeübt worden sei. Diese habe im Fall von Windl "eine Weisung zur Sachbehandlung erlassen". 

Stocker verwies in seiner Aussendung jedoch nicht nur auf den aktuellen Sachverhalt, sondern auch auf den Fall Pilnacek: "Nachdem Christian Pilnacek im U-Ausschuss angegeben hatte, Alma Zadić habe auf sein Verfahren Einfluss genommen, indem sie eine Weisung erteilt hätte, das Verfahren gegen ihn nicht einzustellen, ist es nun bereits der nächste Fall einer mutmaßlich politischen Intervention". Er forderte Zadić daher auf, "die immer noch ausständigen Weisungsberichte für die Jahre 2021 und 2022" vorzulegen, da die Öffentlichkeit es sich verdient hätte, zu erfahren, "wie viele Weisungen aus dem Justizministerium kommen". 

"Nachdem Christian Pilnacek im U-Ausschuss angegeben hatte, Alma Zadić habe auf sein Verfahren Einfluss genommen, indem sie eine Weisung erteilt hätte, das Verfahren gegen ihn nicht einzustellen, ist es nun bereits der nächste Fall einer mutmaßlich politischen Intervention", so Stocker.  | Foto:  HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com
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Mikl-Leitner kritisiert "Narrenfreitheit für diese Idioten"

Bereits vor der Aussendung des ÖVP-Generalsekretärs hatte sich Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) "höchst irritiert" von der Weisung aus dem Justizministerium gezeigt. Wie die niederösterreichische Landeshauptfrau gegenüber der APA betonte, entstehe zunehmend "der Eindruck, dass Klima-Kleber in diesem Land Narrenfreiheit genießen. Das ist fatal". 

Wie Mickl-Leitner erklärte, könne die Polizei "noch so engagiert und konsequent gegen diese Chaoten vorgehen, wenn sie dann von der Justiz mit Samthandschuhen angegriffen werden, nützt das alles nichts". Zadić würde so ein eindeutiges Signal an Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten "in ganz Europa" aussenden: "Auf Österreichs Straßen herrscht Narrenfreiheit für diese Chaoten". Die Landeshauptfrau forderte daher abermals härtere Strafen für Protestaktionen. 

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Strafrechtliche Ermittlungen nicht betroffen

"Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat die beschuldige Klima-Aktivistin enthaftet und ihr Auflagen erteilt (gelinderes Mittel statt U-Haft). In der Folge war zu entscheiden, ob gegen diesen Beschluss des Gerichts ein Rechtsmittel zu erheben ist. Wie in diesen Fällen üblich, wird ein solches Vorhaben von allen Instanzen fachaufsichtlich geprüft", legte das Justizministerium am Dienstag das Vorgehen der APA dar. Im Zuge dessen habe man entschieden, "dass die Beschwerde nicht erfolgversprechend ist, weil die Entscheidung des Landesgerichts für Strafsachen Wien rechtlich zutreffend ist". Wie vom Gesetz vorgesehen, sei der Weisungsrat über die Entscheidung informiert worden. Dieser werde sich in der nächsten Sitzung damit befassen. 

Das Justizministerium betonte zudem, dass die Weisung mit der strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen die Letzte Generation nichts zu tun habe. Diese gehe selbstverständlich "davon unbeeinflusst" weiter. 

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt weiter gegen die "Letzte Generation". | Foto: Letzte Generation (AT)
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Grüne kritisieren "peinliches Unwissen"

Die Grünen reagierten in Person von Agnes Prammer auf die Vorwürfe von Stocker und Mickl-Leitner. Für die grüne Justizsprecherin sei es "erstaunlich, dass nicht nur Landeshauptfrau Mikl-Leitner sondern sogar ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker – der eigentlich Jurist ist und es besser wissen müsste, wie eine Weisungskette im Justizministerium funktioniert - im Falle der enthafteten Klima-Aktivistin durch peinliches Unwissen glänzen. Dass es Mikl-Leitner nur um billige politische Punkte geht, ist schon entlarvend genug, aber dass sogar der ÖVP-Generalsekretär hier offenbar wissentlich Fake-News verbreitet, ist ein unwürdiges Schauspiel."

Prammer kritisierte, dass mit allen Mitteln versucht werde, der Justizministerin irgendeine 'politische Weisung' unterzujubeln, wobei es Tatsache sei, "dass hier genau nichts 'daschlogn' oder 'eingestellt' wurde". Die für die Fachaufsicht zuständige Sektion habe lediglich die rechtsrichtige Ansicht des unabhängigen Gerichts bestätigt. "Nicht mehr und nicht weniger", so die Justizsprecherin der Grünen, die von Stocker und Mickl-Leitner eine Entschuldigung "angesichts dieser peinlichen Entgleisungen" forderte. 

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