Ich tue, ich werde und letztendlich bin ich
Sein

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Die ersten 19 Kilometer sind geschafft. Gute 23 liegen noch vor mir. Ich laufe nun bereits seit knappen zwei Stunden und fühle mich erwartungsgemäß gut, habe schließlich trainiert. Erwartung. Sie beginnt zu mir zu sprechen: „Du musst es schaffen!“  Werde ich.





Kurz darauf bleibe ich das erste Mal stehen, muss mich aufladen. Zügig hintereinander trinke ich fünf Becher mit Elektrolyten und eben so viele mit reinem Wasser aus. Kurz vor dem erneuten Loslaufen gehe ich auf die Toilette. Dann schlucke ich noch meine dieses Mal eingepackten Salztabletten hinunter. Mit noch vollen Adrenalinspeichern laufe ich los.



Langsam, wie mein Anlauftempo, bemerke ich auch sie das erste Mal: Ermüdung. „Hör jetzt auf.“, flüstert sie. Keine Chance. Hätte nicht stehen bleiben dürfen. Konjunktiv. Möglichkeitsform. Keine Hilfe. Grüne Wiese im Norden von Graz. Energie. Es geht weiter.



Auch andere Bekannte machen sich erstmalig bemerkbar. Bedauern: „Warum bist du stehen geblieben?“, fragt es mich. Ich weiß es nicht. Beine werden schwer, ich langsamer. Das Schild zeigt 24 Kilometer. Jetzt bin ich offiziell über meine längste Distanz beim Training geschritten. „Gib auf!“  Wieder eine Stimme. Kenne ich zu gut, ignoriere sie.





Ich bin durstig, werde etwas bleich. „Ist alles in Ordnung?“, fragt mich ein hinter einer Absperrung stehender besorgt wirkender Polizist. „Ja!“, rufe ich gespielt selbstbewusst. Meine Beine. Schwerkraft. Fußballenlauf ist jetzt nicht mehr möglich. Sorgen. Ferse. Fasziitis. Spastik. Zehenbeuger. Sie alle machen mir zu schaffen, mehr als erwartet.



Ermüdung: „Mach etwas Pause.“. Nein, nicht jetzt. Durst: „Du brauchst Wasser!“ Ja. Schmerz: „Du wirst morgen nicht arbeiten gehen.“ Werden wir sehen. Ladestation. Ich brauche eine Ladestation. Leider keine in Sichtweite. Bewegung. Langsam. Dann die bittere Realisation: erst Kilometer 26. Zweifel: „Das schaffst du heute nicht.“ Abwarten. Fokus. Grün. Weiter.



„Für wen mache ich das alles eigentlich?", frage ich mich erstmalig laut. Keine Antwort. Dann endlich der Leuchtturm der Hoffnung: Ladestation. „I brauch jetzt a Ladestation!", schreie ich vollkommen der Gleichgültigkeit verfallen heraus. Letzte Toilette. Pause.





Dann Gehen. Das erste Mal während dieses Laufes, beginne ich eine längere Strecke zu gehen. Habe mich von meinen Gefährten mitreißen lassen. Schmerz flüstert lauter: „Du kannst nicht mehr weitermachen.“ Ich muss. Nach einer Weile realisiere ich, dass dieser auch durch Gehen nicht verschwindet. Zweifel: „Du wirst fallen.“. Bedauern: „Warum?“. Ich ignoriere beide, gehe weiter. Dann wieder langsamer Laufschritt.



„Du bist Inspiration!“ Aufschrift, T-Shirt. Ein Weggefährte liest sie ab und ruft sie mir zu, während er mich überholt.  Bin ich das? „Danke!“, sage ich röchelnd. Bin ich das wirklich? „Du bist wertlos!“, schreit sie. Wertlosigkeit. Stille.



Ich bin wertlos. Die mich am längsten begleitende Stimme. Mein innerster Glaube. In meiner frühen Kindheit zu erkennen gegeben, durch meinen Krankenhausaufenthalt und die dortige Hilflosigkeit in mein Sein gebrannt. Zweifel. Ich denke nach.



Vielleicht bin ich wirklich wertlos. Warum das alles? Für wen? Vielleicht sollte ich einfach aufgeben. Wen interessiere ich überhaupt? „Warum?“, fragt mich Bedauern. Stille.



Was ist mein Warum? Warum tue ich, was ich tue? Bilder: Kindheit, Krankenhaus, Jetzt. Es klickt. Keine Aufgabe. Noch nicht. Laufe schwerer Beine weiter. Muss Stimmen ignorieren, mir das Gegenteil beweisen.





Schritt für Schritt. Meter für Meter. Kilometer für Kilometer. Ich habe ein Mantra gefunden. Die nächsten zwei Kilometer laufe ich mit dessen immerwährender lauter Wiederholung vorwärts, die Menge der Läufer um mich nehme ich nicht mehr wahr. Muss es mir beweisen. Ich gegen meinen Glauben, mein ganzes Leben schon. Dann das Schild: Kilometer 37.



Wieder denke ich nach, übertrage die verbleibende Distanz, fünf Kilometer, auf meine absolvierten Trainingsläufe. Nicht einmal eine kurze Eggenberg Runde. Dann die Realisation: Ich bin zu weit gekommen, um aufzugeben. Nehme noch einmal meine gesamte Kraft zusammen. In kleinsten Schritten begebe ich mich auf meinen letzten Pfad, den Pfad der Inspiration. „Tue es!“, ruft sie mir zu. Ja, danke. Weiter!



Inspiration. Dieses Wort. Der Kern meines Seins. Als ich dieses das erste Mal ausgesprochen hatte, veränderte sich der Kontext meines Lebens schlagartig. Ich hatte plötzlich keine Ausreden mehr. Keine Ausreden mehr Abkürzungen zu benutzen. Keine Ausreden mehr ganze Tage zu verschlafen. Keine Ausreden mehr nicht ins Training zu gehen. Und zu guter Letzt keine Ausreden mehr meinen Freunden, meinen Lastern, zu verfallen. Mein Leben unterliegt vom Moment meines Ausspruches dem Kontext der Inspiration. Ich mache, was sie mir sagt, nicht was mir Wertlosigkeit sagt. Kilometer 40.





Die letzten zwei Kilometer verlangen mir noch einmal alles ab. Ich realisiere, dass diese es sind, die die Spreu vom Weizen trennen. „Beende, was du begonnen hast!“, ruft sie mir wieder zu. Ja. Ich habe das. „Du bis Unnachgiebigkeit!“, flüstert sie mir zu. Das bin ich. Ich bin unnachgiebig. Danke. Weiter.



Ich werde deutlich schneller, baue wieder mein Anfangstempo auf. Den Schmerz ignoriere ich, die Zweifel ebenfalls. Menschen, jedoch keine Gesichter. Stimmen werden leiser. Mein Warum zieht mich nach vorne.



Welches Warum? Das Warum meines Seins, der Inspiration: Wertlosigkeit, mein Motor. Immer muss ich mir das Gegenteil beweisen, aber auch anderen. Ich beweise Menschen täglich, dass wir nicht unsere Gedanken und negativen Glauben sind. Wir sind, was wir tun! Trommelwirbel. Innenstadt: Ziel. Ich bin fast da. Weiter!



Die letzten Meter noch einmal das Tempo erhöht, den Schmerz bei Seite geschoben, laufe ich. Musik. Luftkissentor: Kleine Zeitung. Zielgerade. Emotionen. Tränen. Dann endlich Ziel. Erleichterung. Ankunft: Sein.



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