Frohnleiten
Stolpersteinverlegung für jüdische Kaufmannsfamilie Weinberger

Moritz Weinberger mit seiner Tochter Laure, ihrem Ehemann Markus und Sohn Berthold | Foto: Lisa Salz
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  • Moritz Weinberger mit seiner Tochter Laure, ihrem Ehemann Markus und Sohn Berthold
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Frohnleiten setzt ein wichtiges Zeichen: Um an die Opfer des Regimes der Nationalsozialisten zu erinnern, werden am Mittwoch, 27. Oktober, sechs Stolpersteine für die jüdische Kaufmannsfamilie Weinberger verlegt.

Sie sind klein, beinahe unauffällig, und wer wissen will, was auf ihnen geschrieben steht, der muss stehen bleiben, genau hinschauen und innehalten. Aber das ist auch der Sinn von Stolpersteinen: Die am Boden verlegten Gedenktafeln – ein Projekt des deutschen Künstlers Gunter Demnig, der 1992 mit der ersten Verlegung begann – erinnern an Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, deportiert, vertrieben und ermordet wurden. Die Stolpersteine sind dort zu finden, wo die Menschen ihr Zuhause verloren haben. Der Verein für Gedenkkultur hält die Erinnerung wach.

In der Stadtgemeinde Frohnleiten wird knapp ein Jahr nach der ersten Verlegung der Stolpersteine für die Schwestern Anna und Dora Kallmus (alle Infos dazu gibt es unten nachzulesen), die als erste ihrer Art überhaupt in Graz-Umgebung geschah, nun an die Familie Weinberger erinnert. Historikerin Edda Engelke ist für die Aufarbeitung maßgeblich verantwortlich und wird auch durch das Programm führen.

Vertreibung und Flucht

1904 mietete Moritz Weinberger Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten am Hauptplatz 45 in Frohnleiten vom Getreidehändler Leopold Neufeld. Der jüdische Kaufmann lebte hier mit seiner Frau und den sechs Kindern und betrieb einen Gemischtwarenhandel. Mit dem Anschluss Österreichs 1938 an das Deutsche Reich und dem Gesetz, das jüdischen Geschäftsleuten ihre Ausübung verboten wurde, verlor Neufeld allerdings seine Immobilie an den Blutordensträger (Ehrenzeichen der NSDAP) und "Alten Kämpfer" (Bezeichnung für NSDAP-Mitglieder, die eine Mitgliedsnummer unter 300.000 hatten) K. (Name ist der Redaktion bekannt).

Somit mussten auch Moritz Weinberger und seine Kinder, seine Frau verstarb 1931, die Liegenschaft verlassen. Sie fanden kurz Unterschlupf bei Moritz Weinbergers Tochter Josza Schlesinger in Graz, wo die Familie ihre Flucht und Auswanderung vorbereitete. 

So sehen Stolpersteine aus: Hier für die Familie Klinger in Leoben. | Foto: Foto Freisinger/Russold
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Mit dem Novemberpogrom war das Schicksal der jüdischen Familie aber besiegelt: Moritz Weinberg wurde in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Er kehrte nach Graz zurück, als er die Zusage erhielt, nach Palästina auszuwandern (bis das NS-Regime 1941 die Auswanderung gänzlich verbot, gab es zumindest noch eine kleine Chance, sich vor Verfolgung und Vernichtung zu retten. Man geht davon aus, dass zwischen 1933 und 1939 rund 247.000 Menschen das Deutsche Reich verließen). 

Er erlebte diese Möglichkeit allerdings nicht mehr: Schwer krank und infolge schwerer Misshandlungen in Dachau verstarb Moritz Weinberger am 29. November 1938.

Moritz Weinbergers Enkel Berthold Salz mit und Moritz Weinbergers Sohn Albert 1963 vor der ehemaligen Gemischtwarenhandlung in Frohnleiten. | Foto: KK
  • Moritz Weinbergers Enkel Berthold Salz mit und Moritz Weinbergers Sohn Albert 1963 vor der ehemaligen Gemischtwarenhandlung in Frohnleiten.
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Sein Sohn Albert, der bis zu seinem Berufsverbot als Rechtsanwalt tätig war, blieb bis August 1939 in Graz und verhalf anderen Juden bei ihrer Ausreise. Albert, seine Brüder Ignac, Ladislaus, die Schwestern Josza und Schai konnten nach Palästina flüchten. "Leider haben wir keine Daten, wann und wie sie nach Palästina geflüchtet sind, wir wissen aber definitiv, dass sie es geschafft haben.

Seit April 2021 haben ich Kontakt zu einer 87-jährigen Dame, die mit einem Enkel von Moritz Weinberger verheiratet war und in den USA lebt", sagt Engelke. Moritz Weinbergers jüngste Tochter Laura kam 1944 auf der Flucht in einem Lager in Tadschikistan ums Leben; ihr Mann Markus Salz und der Sohn Berthold überlebten den Holocaust. Alle Details gibt's am Ende des Artikels.

Gebet vom Landesrabbiner

Die Liegenschaft wurde 1949 Leopold Neufeld rückerstattet. Zur Stolpersteinverlegung um 15.30 Uhr wird neben Elie Rosen, Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz sowie Vorstand der Jüdischen Kultusstiftung für die Steiermark, Kärnten, das südliche Burgenland und Ljubljana, auch Landesrabbiner Schlomo Hofmeister anwesend sein, der das Kaddisch, das Totengebet, sprechen wird. Die Stolpersteine für Moritz Weinberger, seine Söhne Ignac und Ladislaus, seine Tochter Laura und deren Ehemann Markus und Sohn Berthold werden vor Ort verlegt. Der Stolperstein für Albert Weinberger wird in der Grazer Herrengasse 3 verlegt.

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Info und Details zur Familie Weinberger:

  • Moritz Weinberger, geboren am 18. April 1872 in Szeged an der Waag, Ungarn. Wohnhaft in Frohnleiten, Hauptplatz 45 seit März 1907. wurde im Rahmen der Reichspogromnacht in Graz festgenommen und in Dachau festgehalten. Er verstarb am 29. November 1938 in Graz, Kaiserfeldgasse 19.
  • Berta Weinberger, geb. Lustig, geboren am 6. Oktober 1872 in Szempcz, Slowakei. Verheiratet mit Moritz Weinberger seit 1896, verstarb am 13. Jänner 1931 in Graz und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Graz beigesetzt. Todesursache: Diabetes Mellitus.
  • Ladislaus Weinberger, geboren 18. Mai 1899 in Pressburg, arbeitete mit dem Vater in der Gemischwarenhandlung; Auswanderung nach Palästina 1938/39. Nahm in Palästina den Namen Elieser an; Vater des Moishe Weinberg(er), der als Trainer der Ringermannschaft Israels das erste Opfer des Terroranschlags bei den Olympischen Spielen in München 1972 wurde.
  • Albert Weinberger, geboren 9. Februar 1906 in Pressburg, Rechtsanwalt in Graz, interimistischer Vorstand der Jüdischen Gemeinde Graz 1938/39, Auswanderung nach Palästina 1939, kehrte 1954 nach Wien zurück, verstirbt 1988 in Wien.
  • Josza Weinberger (Josefa, Yoland), geboren am 9. August 1900 in Pressburg, ehelicht am 2. März 1919 den Karl Schlesinger, lebt mit ihm in Graz, 1938/1939 Flucht nach Palästina.
  • Schai Weinberger (Charlotte, Sara), geboren am 29. November 1901, ehelichte am 4. Januar 1925 in Graz den Robert Bauernfreund, Wohnort Knittelfeld, stirbt mit nur 32 Jahren am 12. Februar 1933. Auswanderung von Ehemann und Tochter nach Palästina.
  • Ignac Weinberger, geboren im August 1903, arbeitete mit seinem Vater in der Gemischtwarenhandlung, Auswanderung nach Palästina, wahrscheinlich mit Iren Veinberger verheiratet.
  • Laura Weinberger wurde am 4. Februar  1910 in Frohnleiten Nr. 32 geboren, ehelichte am 18. März 1930 Markus Salz. Am 30. Juni 1932 kam ihr Sohn Berthold auf die Welt. Lebte mit ihrer Familie in Karlsbad, flüchtete mit ihrer Familie 1938/39 nach Osten vor dem NS-Regime, Polen, dann Sowjetunion; Tod von Laura in einem Lager in Duschanbé 1944 (Tadschikistan). Ihr Ehemann Markus und ihr kleiner Sohn Berthold überleben, 1951 Einreise in die USA.

Die erste Stolpersteinverlegung in Frohnleiten – mehr dazu:

Jüdisches Leben im ländlichen Raum
Moritz Weinberger mit seiner Tochter Laure, ihrem Ehemann Markus und Sohn Berthold | Foto: Lisa Salz
Moritz Weinbergers Enkel Berthold Salz mit und Moritz Weinbergers Sohn Albert 1963 vor der ehemaligen Gemischtwarenhandlung in Frohnleiten. | Foto: KK
So sehen Stolpersteine aus: Hier für die Familie Klinger in Leoben. | Foto: Foto Freisinger/Russold
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