NS-Zeit
"Mobbing ist nicht lustig. Mobbing ist grausam!"

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26 SchülerInnen hörten die spannende                                  Lebensgeschichte über Ernst Reiter

(Foto Franz Michael Zagler)
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St. Valentin. Frau Ingrid Portenschlager, Zeitzeugin der zweiten Generation und Frau Esther Dürnberger, Referentin des Vereins Lila Winkel, der sich für die Rehabilitierung von Opfern der NS-Zeit einsetzt, kennen den Weg. Seit Jahren besuchen sie die Polytechnische Schule in St. Valentin. Am Dienstag, den 13. Dezember 2022 war es wieder so weit. In der Schulklasse der P1 erzählte Frau Portenschlager die Geschichte ihres Vaters Ernst Reiter, der als Bibelforscher (wie damals Jehovas Zeugen genannt wurden) nach 1600 Tagen im Konzentrationslager Flossenbürg schwer traumatisiert nach Hause kam.

6 Schautafeln schlagen die Brücke

Eine Woche lang stellte die PTS St. Valentin die Aula für 6 Schautafeln der NS-Gedenkausstellung zur Verfügung. Diese Schautafeln zeigten nicht nur die Opfer mit dem Lila Winkel, sondern schlugen gekonnt die Brücke zwischen Holocaust und Jetztzeit. Zwei Tafeln zum Beispiel gaben Einblick in die schreckliche Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Besonders nachdenklich stimmten auch die Tafeln „Zwischen Befehl und Gewissen“ und „Du sollst nicht töten.“

Der berührende Vortrag der 73jährigen klagte nicht an – er sensibilisierte. Die 26 SchülerInnen verfolgten aufmerksam den Erzählungen über Portenschlagers Vater, der Einzelhaft, Folter und Hunger durchlebte, nur weil er den Dienst mit der Waffe verweigerte. Ernst Reiter überlebte alle Torturen ohne Verbitterung und Hass. Selbst den Todesmarsch am Ende des Krieges überstand er. Die 23köpfige Gruppe der Bibelforscher mit dem Lila Winkel, der Ernst Reiter angehörte, hielt eisern zusammen und jeder opferte sich für den anderen auf.

Weißes Blatt – Schwarzer Punkt

Dieser gelebte Zusammenhalt war eine der Lehren, die Tochter Ingrid für ihr Leben zog. Ihr Vater mahnte seine drei Töchter, mit allen Menschen gut auszukommen und das Positive zu sehen. Noch heute erinnert sie sich an das weiße Blatt Papier mit einem schwarzen Punkt in der Mitte. Auf die Frage ihres Vaters, was sie denn sehe, wies sie auf den schwarzen Punkt hin. Ihr Vater lehrte sie, alle Menschen als ein weißes Blatt Papier zu sehen, statt sich auf die Fehler, die jeder hat, zu konzentrieren.

„Komm Max, trinken wir ein Bier“

An eine Begebenheit erinnert sich Ingrid noch, als wäre es gestern gewesen. Als 16jährige war sie gerade mit ihrem Vater unterwegs, als sie zufällig einen ehemaligen Peiniger trafen. Dieser hasste Ernst Reiter so sehr, dass er ihn jedes Mal, wenn er ihn im KZ sah, mit einem Gartenschlauch, gefüllt mit Sand, heftig schlug. Aber anstatt den damaligen Kapo zur Rede zu stellen oder ihm Vorwürfe zu machen, sagte ihr Vater nur: „Komm Max, trinken wir ein Bier“, das er auch noch bezahlte.

„KEIN Brot – das ist hart!“

Auch lehrte er sie, mit Lebensmittel nie verschwenderisch umzugehen. Im Lager gab es nur eine ungewürzte Wassersuppe mit ungeputztem Gemüse. Im Winter war sie gefroren, im Sommer war das Gemüse verfault. Der Hunger war sein ständiger Begleiter. Als sie sich als Kinder einmal über ein hartes Brot beschwerten, sagte er: „KEIN Brot – das ist hart.“ Die Botschaft kam an. Hier zwei Kommentare:

Magdalena Windner: „Wenn mich jemand verletzt oder beleidigt, dann verspüre ich den inneren Drang, dem Betreffenden ebenfalls etwas anzutun, oder ihm zumindest etwas Böses zu wünschen. In Zukunft möchte ich bei solchen Situationen an Herrn Reiter denken, der seinen Peiniger auf ein Getränk einlud, nicht an Rache dachte und sogar noch bezahlte. Er hegte keinen Groll, konnte wirklich verzeihen und hatte echten Herzensfrieden. Das möchte ich auch.“

Elfriede Maria Auinger, Klassenvorstand der P1: „Ich freue mich jedes Jahr auf das Zeitzeugengespräch. Die gewinnende Art von Frau Portenschlager berührt mich immer wieder. Aus meiner Sicht war die Brücke in die Jetztzeit besonders wertvoll. Für den Schulalltag war die Bezugnahme auf Mobbing in Verbindung mit den realen Folgen von Ausgrenzung und Diskriminierung ganz wichtig. Ich hoffe sehr, dass diese Geschichte weitergetragen wird und so am „Leben“ bleibt.

Die SchülerInnen hatten nach dem Vortrag die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Frau Esther Dürnberger, Referentin des Vereins Lila Winkel, schloss die Präsentation mit den Worten: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Ein Schüler unterbrach die Stille und rief spontan: „Dann wäre Frieden.“

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